Herz aus Feuer
ihn nicht einmal kannte, ihr einreden konnte, sie wüßte etwas von ihm, von dem sie — seine ihm angetraute Frau — keine Ahnung habe.
Während sie so gedankenverloren unter den Bäumen saß, achtete sie nicht auf die Geräusche, die hinter ihrem Rücken aufklangen. Als sie sie schließlich doch wahrnahm, war sie wie gelähmt, weil sie meinte, sie könnten nur von Francjoises Bande stammen, die sie nun doch gefunden hatte. Ganz langsam drehte sie sich um und blickte den Hang hinauf.
Was sie dort sah, lähmte sie nun wirklich. Zwei große schwarze Bären kamen den Berg herunter — und sie hielten genau auf sie zu.
Doch dann war die Schrecksekunde vorüber, und so schnell wie in diesem Augenblick hatte Blair sich noch nie bewegt. Sie schoß in die Höhe und fing schon an zu rennen, als ihre Füße noch nicht den Boden berührt hatten. Und sie war schon bei der Hütte, ehe sie über die Schulter schaute und merkte, daß die Bären gar nicht mehr hinter ihr waren. Sie blieb stehen und drehte sich vorsichtig um. Da waren nur die Geräusche des Waldes und keine Bären mehr zu sehen. Neugierig ging sie zu einem Baum am Rand der Lichtung und sah wieder den Hang hinauf. Unter normalen Umständen hätte sie sich an einen sicheren Ort geflüchtet; aber ein Teil von ihr erinnerte sich daran, daß sie sich mitten in einem Spiel mit Leander befand und es nicht verderben konnte, indem sie nun in seine Arme flüchtete.
Ganz langsam schlich sie wieder bergan und sah sich laufend um, ob die Bären ihr nicht etwa den Rückweg zur Hütte verlegten. Und wenn sie in der Nähe lauerten, wollte sie Lee deren Standort verraten.
Ungefähr zehn Schritte von der Stelle entfernt, wo sie hinter den Bäumen gesessen hatte, und nur einen Steinwurf weit von der Hütte entdeckte sie eine kleine Höhle, und nach den Spuren, die sich auf dem Boden kreuzten, mußte sie schon seit Generationen von Bären bewohnt sein.
»Deswegen ist die Hütte also auf gegeben worden«, murmelte sie und bewegte sich wieder hangabwärts. Die Sonne näherte sich dem Horizont, und sie mußte so tun, als mischte sie ein Schlafmittel unter Lees Kaffee.
Später dachte sie, daß sie diese Aufgabe sehr gut gelöst habe, und sie bezweifelte, daß selbst Lee bemerkt hatte, wie sie ihm ein Kopfwehpulver in die Tasse schüttete. Doch sie sorgte dafür, daß Françoise es bemerkte. Einen Moment lang war sie sogar versucht gewesen, ein Abführmittel dazuzuschütten, nachdem sie den Blick gesehen hatte, mit dem Lee Françoise betrachtete, als er sich einen Moment unbeobachtet glaubte.
Es dauerte nur wenige Minuten, nachdem Leander den Kaffee getrunken hatte, den Blair auf einem kleinen Feuer hinter der Hütte zubereitete, bis er schon zu gähnen anfing und sagte, er müsse sich jetzt zum Schlafen hinlegen. Und nachdem er Blair ein paar Minuten lang erklärt hatte, wie sie die Gefangene zu bewachen habe, ging er hinüber in den anderen Raum, und sie konnten hören, wie er auf die kleine schmutzige Koje fiel.
Françoise blickte Blair auf eine Weise an, daß Blair die Frau am liebsten losgebunden und zu einem Faustkampf herausgefordert hätte. Doch statt dessen überprüfte sie nur deren Fesseln.
»Wenigstens wird er die Nacht nicht mit dir verbringen können«, sagte Blair. »Ich werde mich ebenfalls hinlegen.« Sie blickte die Französin, die an dem Pfeiler festgebunden war, von Kopf bis Fuß an. »Ich hoffe, du hast es hier bequem.«
»Und was geschieht, wenn ich flüchte? Wie willst du ihm das erklären?«
»Erklären? Mit Vergnügen«, antwortete Blair. »Was kümmert es mich, was du machst, solange du nicht meinem Mann zu nahe kommst. Außerdem habe ich während meiner medizinischen Ausbildung auch etwas über Knoten gelernt. Die bekommst du nicht so leicht auf.«
Blair ging in den anderen Raum hinüber und dachte, wie recht Lee doch hatte, daß Françoise nicht so leicht etwas riskierte. Wie viele Gefangene baten wohl vor ihrer Flucht die Wächter um Erlaubnis?
Sie blickte zur Koje und sah, daß sich Lee bereits durch ein offenes Fenster aus der Hütte fortgestohlen hatte. Blair stopfte ein Kissen unter die Decken, daß es so aussah, als läge ein Schläfer darunter, und stieg dann ebenfalls aus dem Fenster.
Sie ging ein paar Minuten, hörte aber keinen Laut in ihrer Nähe. Er schien vom Erdboden verschluckt worden zu sein. Sie ging nach Osten, weg von der Hütte, und hoffte, daß Leander in die gleiche Richtung gegangen war. Natürlich hatte er es für
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