Herz aus Feuer
hatte. Dann hatte Pam plötzlich ihr Vaterhaus verlassen, und jahrelang hatte man noch in der Stadt darüber geflüstert, warum sie so Knall auf Fall aus Chandler verschwunden war.
Sie war also nach all diesen Jahren wieder nach Chandler zurückgekommen und würde bei der Hochzeit zugegen sein, dachte Blair nicht ohne Vergnügen. Und ganz nebenbei fragte sie sich, was Pamela denn damals angestellt hatte, daß die Gerüchte in der Stadt jahrelang nicht verstummen wollten. Da war doch von einem Stallburschen die Rede gewesen, wenn sie sich recht entsann.
Blair hielt plötzlich mitten im Schritt an. Es hatte im Hause Fenton tatsächlich wegen eines Stallburschen, der für Pamelas Vater arbeitete, einen Skandal gegeben. Sie hatte sich in den Knecht verliebt, und ihr Vater hatte sie wegen ihrer Affäre mit dem Kerl nicht mehr in seinem Haus behalten wollen.
Und dieser Stallbursche war Kane Taggert gewesen!
Blair raffte ihre Röcke hoch und rannte den Pfad zu der Stelle hinunter, wo Taggert und Pam Zusammentreffen mußten. Sie war noch einige Schritte davon entfernt, als sie wie versteinert anhielt.
Sie sah ungläubig zu, wie Kane Taggert Pamela Fentons Gesicht mit beiden Händen festhielt und sie mit großer Leidenschaft küßte.
Mit raschen, heißen Tränen in den Augen floh Blair den Pfad hinauf zum Haus. Was hatte sie ihrer Schwester nur angetan? Houston wollte dieses monströse Mannsbild heiraten, das zwei Stunden vor seiner Hochzeit eine andere Frau küßte!
Und an dem allen hatte allein sie — Blair — schuld.
Kapitel 17
Anne Seabury half Blair in das Prachtstück hinein, das Houston für ihre Hochzeit entworfen hatte. Es war ein elegant schlichtes, hochgeschlossenes Kleid aus elfenbeinfarbenem Satin mit weiten Ärmeln und so eng in der Taille, wie die mit Stahlrippen bewehrte Korsage das nur irgend möglich machte. Hunderte, vielleicht sogar Tausende von winzigen Zuchtperlen schmückten Taille und Manschetten, und der Schleier bestand aus so feinen, handgeklöppelten Spitzen, wie sie Blair bisher noch nie gesehen hatte.
Als sie sich im Spiegel betrachtete, wünschte sie sich, daß sie dieses Kleid unter glücklicheren Umständen hätte tragen und mit einem Lächeln auf dem Gesicht zum Traualtar hätte gehen können.
Doch sie wußte, daß dies unmöglich war; denn sie hatte bereits getan, was ihr Gewissen von ihr verlangte. Kaum war sie Zeugin geworden, wie dieses Monster Taggert eine andere Frau küßte, als sie schon ins Haus zurückeilte und diesem Mann ein Billett schrieb. Darin hatte sie ihm mitgeteilt, daß sie rote Rosen im Haar tragen würde, und der Zofe aufgetragen, ihm zu sagen, daß er sich links vom Altar postieren solle und nicht rechts davon, wie ursprünglich vorgesehen.
Blair war sich nicht sicher, ob das, was sie vorhatte, auch vor dem Gesetz bestehen konnte, da in der Heiratslizenz schriftlich festgehalten war, welcher Zwilling mit welchem Mann getraut werden sollte; aber vielleicht konnte sie ihrer Schwester eine gewisse Schonfrist erkaufen, wenn der Pfarrer Leander und Houston zu Mann und Frau erklärte, statt ihre Schwester mit diesem Wüstling Taggert zu verehelichen. Sie mochte jetzt nicht über die Konsequenzen nachdenken, wenn die Eheschließung auch gesetzlich bindend war und sie sich mit Taggert verheiratet fand.
Sie schickte ihrer Schwester pinkfarbene Rosen und bat sie, diese bei der Trauung zu tragen.
Am Kopfende der beiden Treppen drückte Blair ihre Schwester an sich. »Ich liebe dich mehr, als du ahnst«, flüsterte sie, ehe sie in die Halle hinunterstiegen. Und dann setzte sie mit einem Seufzer hinzu: »Laß uns dieses Spektakel hinter uns bringen.« Mit jeder Stufe wuchs in Blair das Gefühl, daß sie ihrer Hinrichtung näher kam. Was ist, wenn die Trauung gesetzlich gültig ist, ich mit diesem schrecklichen Mann verheiratet bin und in diesem Mausoleum von Haus leben muß? dachte sie.
In dem riesigen Zimmer, das einmal eine Bibliothek werden sollte, aber ebensogut für Hallen-Baseballspiele geeignet war, sah sie Taggert neben Leander auf einer mit Rosen und Grünpflanzen geschmückten Plattform stehen.
Blair hielt den Kopf hoch und die Augen geradeaus gerichtet. Sie wußte, daß Houston inzwischen begriffen haben mußte, was da vor sich ging — daß sie am Ende doch noch den Mann heiraten würde, den sie liebte.
Blair blickte geradeaus auf Kane Taggert, und als sie sich durch den Mittelgang ihm näherte, sah sie, wie sich eine steile Falte auf seiner Stirn
Weitere Kostenlose Bücher