Herz aus Feuer
immer angenommen, daß deine Familie dich gezwungen hätte, ihn zu heiraten!«
»Wie, in aller Welt, kommst du nur auf diese Idee?« fragte Opal entgeistert.
»Ich glaube, Houston und ich konnten uns keinen anderen Grund für diese Eheschließung vorstellen. Vielleicht gefiel uns der Gedanke, daß du nach dem Tod unseres Vaters zu unglücklich gewesen bist, um wieder eine Herzensbindung einzugehen.«
Opal lachte ein wenig. »Ihr beide wart noch so jung, als William starb, und ich bin sicher, daß ihr als Kinder ihn als den wunderbarsten Vater der Welt in Erinnerung behalten habt, der immer etwas mit euch unternahm, die herrlichsten Spiele erfand und stets für Kurzweil sorgte.«
»War er denn nicht so?« fragte Blair behutsam, da sie fürchtete, nun schreckliche Dinge über ihren so von ihr verehrten Vater zu erfahren.
Opal legte ihrer Tochter die Hand auf den Arm. »Er war all das und mehr, als sich in deinem Gedächtnis erhalten hat.
Ich glaube nicht, daß dir auch nur die Hälfte seiner Lebenslust, seines Übermuts, seiner Tatkraft, seines Muts und seines Ehrgeizes erinnerlich ist. Ihr beiden habt viel von ihm geerbt.« Sie seufzte. »Aber die Wahrheit ist, daß ich William Chandler für den anstrengendsten Mann der Welt hielt. Ich liebte ihn sehr; aber es gab Tage, wo mir Tränen der Erleichterung in den Augen standen, wenn er endlich das Haus verließ. Du mußt wissen, daß ich in dem Glauben erzogen wurde, daß die Rolle der Frau im Leben darin besteht, im Salon zu sitzen, zu sticken und den Dienstboten Anweisungen zu geben. Das größte Abenteuer, das ich zu unternehmen gedachte, war, ein neues kompliziertes Kreuzstichmuster auszuprobieren.«
Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und lächelte. »Dann lernte ich deinen Vater kennen. Aus irgendeinem Grund beschloß er, daß er mich haben wollte, und ich glaube nicht, daß ich dabei viel zu sagen hatte. Er war ein außerordentlich gutaussehender Mann, und ich fürchte, daß mir nicht einmal der Gedanke kam, ich könnte ihm etwas abschlagen.
Doch dann waren wir verheiratet, und es gab eine Krise nach der anderen, die alle von Bills Lebenslust heraufbeschworen wurden. Selbst wenn William Kinder zeugte, mußten es Zwillinge werden; ein Kind auf einmal reichte ihm nicht.«
Sie blickte auf ihre Hände hinunter, und in ihren Augen blinkten Tränen. »Ich dachte, ich würde ebenfalls sterben, nachdem Bill ums Leben gekommen war. Das Dasein schien für mich keinen Sinn mehr zu haben; doch dann fing ich an, mich an Dinge zu erinnern, die ich früher gern gemacht hatte — an das Sticken und Nähen —, und natürlich hatte ich ja noch euch Mädchen. Dann trat Mr. Gates in mein Leben. Er war so verschieden von Bill wie die Nacht vom Tag, und ihm gefiel, was Bill immer als >Nähkram< zu bezeichnen pflegte. Mr. Gates hatte strenge Vorstellungen von dem, was eine Frau tun und was sie nicht tun sollte. Er erwartete nicht von mir, daß ich am Sonntag mit ihm auf die Berge kletterte, wie Bill das verlangt hatte. Nein, Mr. Gates wollte mir ein schönes Heim geben, und ich sollte in diesem Heim bleiben, mich um meine Kinder kümmern und nachmittags Teeparties geben. Als ich diesen Mann näher kennenlernte, stellte ich fest, daß er leicht zufriedenzustellen war und daß die Dinge, die mir lagen, auch diejenigen waren, die er von mir erwartete. Bei deinem Vater war ich mir nie sicher, was ich tun oder besser lassen sollte.«
Sie blickte zu Blair hoch. »Und so kam es, daß ich mich in ihn verliebte. Was ich tun wollte und seine Vorstellungen von dem, was ich tun sollte, stimmten vollkommen überein. Ich fürchte, ich habe dabei nicht ernsthaft genug an euch gedacht oder mir überlegt, wie ähnlich ihr eigentlich eurem Vater seid. Ich wußte nur, daß du ihm ähnlich warst, und deshalb habe ich es so eingerichtet, daß du bei Henry wohnen konntest. Doch von Houston nahm ich an, daß sie nach mir geraten ist, und im gewissen Grade stimmt das auch. Doch Houston hat auch viel von ihrem Vater, und das äußert sich manchmal auf merkwürdige Weise, indem sie sich als alte Frau verkleidet und die Kohlengruben besucht. Bill würde auch so etwas in dieser Richtung getan haben.«
Blair schwieg lange still, während sie über die Worte ihrer Mutter nachdachte und sich dabei fragte, ob sie Leander jemals lieben könnte. Sie war sich sicher gewesen, daß sie in Alan verliebt sei; war jedoch auch nicht todunglücklich, als er sie sitzenließ. Zu viel war durch das, was geschehen
Weitere Kostenlose Bücher