Herz aus Feuer
dampfendem Wasser und stieg hinein. Das warme Bad wirkte sofort beruhigend auf ihre Nerven. Sie blieb so lange in der Wanne sitzen, bis ihre Haut Falten zu werfen begann, stieg dann wieder hinaus und trocknete sich mit einem Badetuch ab, das so dick war, daß man es auch als Kissen hätte verwenden können. Sie wickelte sich in einen rosafarbenen Bademantel aus Kaschmirwolle ein und ging in das Schlafzimmer, wo sie prompt auf dem breiten, weichen Bett einschlief.
Als sie wieder aufwachte, hatte sie einen klaren Kopf und fühlte sich ausgeruht. Sie erinnerte sich wieder an die Worte ihrer Mutter, die von einem Garten hinter dem Haus gesprochen hatte. Rasch zog sie ihren gewöhnlichen, schlichten Rock und ihre Bluse an und verließ das Zimmer. Sie wollte nicht die Vordertreppe benützen, da sie von der Halle her das Murmeln vieler Stimmen hörte. Sie ging den Korridor hinunter, an vielen geschlossenen Türen vorbei, und fand schließlich eine Hintertreppe, die zu einem Labyrinth von Küchen-und Vorratsräumen hinunterführte. Jeder Quadratzentimeter in diesen Räumen wurde von Leuten in Beschlag genommen, die geschäftig hin und her eilten und wunderbar duftende Speisen erschufen. Blair gelang es nur mit Mühe, sich durch dieses Gewühl hindurchzuarbeiten. Mehrere von diesen Leuten erkannten sie, doch niemand hatte Zeit, sich verwundert darüber zu äußern, daß eine der beiden Bräute sich zwei Stunden vor der Hochzeit im Küchentrakt aufhielt. Blair wollte nur vermeiden, daß Houston sie hier sah. Houston hatte zweifellos einen genauen Stundenplan, und sie würde sich pedantisch daran halten, egal, was auch passierte. Houston würde bestimmt keine Zeit haben, für ein paar Minuten in den Garten zu entweichen.
Hinter dem Haus dehnte sich eine Rasenfläche aus, die nun mit riesigen Zelten, Tischen mit pinkfarbenen Leinentüchern und Hunderten von mit Blumen gefüllten Vasen bedeckt war. Männer und Frauen in Uniform liefen zwischen dem Haus und den Tischen hin und her, um Speisen und Gewürze darauf zu stellen.
Blair hastete auch an diesen Leuten vorbei, um sich das anzuschauen, was als Garten hinter dem Haus bezeichnet wurde. Als sie den Rand der Anlage erreichte, traf sie das, was sie nun erblickte, ganz unvorbereitet. Vor ihr lag ein viele Morgen großes Areal mit einheimischen und exotischen Pflanzen und Gewächsen, die sie noch nie zuvor in ihrem Leben gesehen hatte. Vorsichtig folgte sie einem der verschlungenen Pfade durch dieses grüne Paradies.
Die Unrast und der Trubel der Hochzeitsvorbereitungen blieben hinter ihr zurück, und zum erstenmal seit Tagen fand sie Zeit und Ruhe zum Nachdenken.
Heute war ihr Hochzeitstag, doch zur Stunde konnte sie sich nicht mehr daran erinnern, wie sie hierhergekommen war. Vor drei Wochen war sie in Pennsylvania gewesen, mit genau abgesteckten Plänen für ihr Zukunft. Aber wie ganz anders hatte sich alles entwickelt! Alan war von ihr weggelaufen, statt sie zu heiraten. Ihre Schwester hatte den Mann verloren, den sie haben wollte, und würde jetzt einen der reichsten Männer dieses Landes heiraten — ohne daß Liebe dabei im Spiel war.
Und an allem trug nur sie die Schuld. Sie war nach Hause gekommen, um der Hochzeit ihrer Schwester beizuwohnen; und statt ihr zu ihrem Glück zu verhelfen, war es ihr gelungen, sie in eine käufliche Braut zu verwandeln. Houston hätte sich ebensogut auf einer Auktion versteigern lassen können, wo sie dem Mann mit dem höchsten Angebot zugeschlagen wurde.
Während Blair mit gefurchter Stirn im Garten umherschlenderte, sah sie Taggert einen der Wege herunterkommen. Ehe sie wußte, was sie tat, drehte sie sich abrupt um und ging, bevor er ihrer ansichtig werden konnte, in die andere Richtung davon. Sie war erst ein paar Schritte weit gekommen, als sie eine außerordentlich stattliche Frau in ihrer Nähe auftauchen sah, die ihr irgendwie bekannt vorkam. Diese eilte denselben Pfad hinunter, den Taggert heraufkam. Blair konnte sich nicht mehr erinnern, wo sie diese Frau schon einmal gesehen hatte, ging achselzuckend weiter und hing wieder ihren beklemmenden Gedanken nach.
Dann erinnerte sie sich plötzlich wieder an den Namen der stattlichen Frau.
»Das ist Pamela Fenton«, sagte sie laut. Houston und Blair waren als Kinder oft im Haus der Fentons gewesen, um dort auf Marcs Ponies zu reiten oder eine der zahllosen Parties zu besuchen, und damals war Marcs ältere Schwester Pam schon fast erwachsen gewesen, was sie beide sehr beeindruckt
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