Herz aus Feuer
überfallen und beraubt worden, die in der Nähe von Chandler ihr Hauptquartier errichten wolle. Dieser Mann war schrecklich aufgeregt, sagte, alle Leute hier im Westen seien Banditen, die sogar Frauen gefangen hielten. Es scheint, daß während des Überfalls ein Reiter zu der Bande gestoßen ist, der meldete, daß man >sie< gefangen habe. Damit könnte er deine Frau gemeint haben.«
Leander zog sich bereits in fieberhafter Eile um. Als er mit einer Segeltuchhose, einem dicken Baumwollhemd und Ledermanschetten bekleidet war, band er sich einen Patronengurt um und fragte, schon etwas gefaßter: »Wo hat der Überfall stattgefunden? Ich denke, dort werde ich mit der Suche beginnen.«
Kane erhob sich vom Bett. Lee warf nur einen flüchtigen Blick auf die schwere, einfache Arbeitskleidung seines Schwagers, als dieser sagte: »Ich denke, es ist ein Krieg, der auch mich angeht. Sie wollen mein Geld, und sie glauben, sie haben meine Frau gefangen.«
Er blickte Lee aus den Augenwinkeln an. »Als ich diesen Zettel las und mir klar wurde, daß sie Blair gefangen haben, dachte ich, man habe schon die ganze Stadt auf der Suche nach ihr umgedreht. Doch offenbar schien keiner zu wissen, daß sie vermißt wurde. Ich vermute, es gibt einen triftigen Grund dafür, daß du ihr Verschwinden geheimhalten wolltest.«
Lee wollte ihm antworten, verhindern, daß ihre vielen Freundinnen und Bekannten sich unnötig aufregten; aber er überlegte es sich anders. »Ja«, sagte er nickend, »es gibt einen triftigen Grund.« Er wartete, daß Taggert darauf etwas sagte; doch der musterte ihn nur schweigend.
»Weißt du, wie man mit einem Revolver umgeht? Kannst du reiten?«
Kane brummelte etwas, das sich so anhörte, als stünde ein Bär im Zimmer. »So zivilisiert bin ich unter Houstons Einfluß noch nicht geworden. Und vergiß nicht, daß ich hier aufgewachsen bin. Ich kenne die Umgebung sehr genau und kann mir denken, wo sie sich versteckt haben. Zwanzig Meilen nördlich von hier gibt es einen Canyon, den kaum jemand kennt, weil er hinter Felsen verborgen liegt. Ich saß dort einmal in einem Unwetter fest.«
Einen Moment lang war Lee unschlüssig. Er kannte seinen Schwager kaum, wußte nicht, ob er ihm trauen konnte. Jahrelang hatte er sich Geschichten über diesen Mann anhören müssen, in denen nur von den unlauteren Methoden die Rede war, mit denen Kane sein Geld gemacht habe — und daß für ihn nur Geld und Reichtum zählten. Aber nun stand er hier in seinem Schlafzimmer und bot ihm seine Hilfe an. Und er war bereit, Lees Recht zu respektieren, etwas für sich zu behalten, wenn er es geheim halten wollte.
Lee band sich das Revolverhalfter ans Bein. »Hast du eine Schußwaffe mitgebracht?«
»Ich habe draußen genug Waffen und Munition in meinen Satteltaschen, daß ich damit eine kleine Armee ausrüsten könnte. Und ich habe auch die fünfzig Riesen dabei, die sie als Lösegeld fordern. Ich verzichte lieber auf das Geld, als in der Nähe einer Lady mit einer Schießerei anzufangen.« Und dann setzte er grinsend hinzu: »Schließlich hat sie mich vorgestern ja noch heiraten wollen.«
Zunächst wußte Lee gar nicht, was er damit meinte, bis ihm wieder einfiel, wie sie am Altar den Platz tauschen mußten. Er gab Kanes Blick grinsend zurück. »Ich bin froh, daß es dann doch noch anders ausging, wie es anfangs zu werden schien.«
Kane fuhr sich mit der Hand über das Kinn und schien über etwas zu lachen, das ihm dabei durch den Kopf ging. »Ich auch. Froher, als du ahnst.«
Eine Viertelstunde später waren sie mit ihren Pferden und reichlich Proviant in den Satteltaschen auf dem Trail, der nach Norden in die Berge führte. Lee hatte dem Mädchen von der Vermittlung aufgetragen, seinem Vater mitzuteilen, daß er unterwegs sei, um sich um Mrs. Smith zu kümmern. Er hörte gar nicht zu, als Caroline ihm am Telefon ihr Mitleid für die geplagte Familie Smith bekundete.
Als die letzten Häuser der Stadt hinter ihnen zurückblieben, trieben sie ihre Pferde zu größter Eile an. Lees gewaltiger Hengst galoppierte Meile um Meile herunter, während Kanes prachtvoller Wallach die zweihundertfünfzig Pfund, die sein Schwager wiegen mußte, offenbar gar nicht spürte. Und dann dachte Leander nur noch an Blair und daß sie hoffentlich gesund war und ihre Entführung unverletzt überstanden hatte.
Blair stemmte sich gegen die Fesseln, die sie an dem schweren Eichentisch festhielten. Anfangs war es ihr gelungen, sich zu befreien, und da hatte
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