Herz aus Feuer
haben, auch nur an Sie zu denken. Reed hat es mir erzählt. Aber vielleicht kennen Sie Lees Vater gar nicht, da Sie nicht zu der Sorte von Frauen gehören, die ein Mann nach Hause mitnehmen und seiner Familie vorstellen kann. Lee glaubte, Sie wären tot, und in diesem Glauben verließ er Paris und kehrte nach Chandler zurück.«
Blair dachte an all die Geschichten, die Lee ihr von seinem Aufenthalt in Europa erzählt hatte, und darin war auch nicht andeutungsweise von einer anderen Frau die
Rede gewesen. Doch vielleicht war dieses Thema so schmerzlich für ihn, daß er sie lieber totgeschwiegen hatte.
»Ich werde ihn für mich gewinnen«, fuhr Blair fort. »Er ist mein Mann, und weder Sie noch eine andere Frau werden ihn mir wegnehmen. Er wird hierherkommen, um mich hier herauszuholen. Damit verschaffen Sie sich zwar eine Gelegenheit, ihn wiederzusehen; aber eine Chance haben Sie bei ihm nicht mehr.«
»Paris, soso«, sagte die Frau und lächelte. »Vielleicht haben dieser Leander Taggert und ich . . .«
»Taggert? Leander ist kein Taggert. Houston hat Taggert gehei. . .« Sie hielt mitten im Wort inne. Hier stimmte etwas nicht, nur wußte sie nicht, was.
Françoise erhob ihr Gesicht ganz dicht an Blairs Gesicht heran: »Wie heißt du?«
»Dr. Blair Chandler Westfield«, antwortete Blair stirnrunzelnd.
Da machte die Frau auf den Absätzen kehrt und stürmte aus der Blockhütte.
Blair sank auf ihrem Stuhl zurück. Sie wurde nun schon fast zwei Tage in diesem Raum gefangengehalten, hatte kaum geschlafen und noch weniger gegessen, und es fiel ihr immer schwerer zu verstehen, was hier eigentlich vor sich ging.
Nachdem man sie in Chandler von der Straße weggeholt, ihr die Augen verbunden und sie geknebelt hatte, waren sie viele Stunden lang, wie es ihr vorkam, immer in eine Richtung geritten. Die meiste Zeit mußte sie sich darauf konzentrieren, die Hände des Cowboys, der hinter ihr im Sattel saß, von ihrem Körper wegzuhalten. Ständig wollte er sie irgendwo begrapschen und flüsterte ihr dabei ins Ohr, daß sie ihm etwas »schuldig« sei. Blair konnte sich beim besten Willen nicht daran erinnern, dem Mann schon irgendwo begegnet zu sein oder ihm etwas angetan zu haben.
Um seinen Händen auszuweichen, war sie immer weiter nach vorn gerutscht, bis das Pferd unruhig wurde und zu tänzeln begann. Da hatte einer von den drei Männern dem Cowboy, auf dessen Pferd sie saß, zugerufen, er solle sie in Ruhe lassen, da sie Frankie gehöre.
Bei diesem Namen war es Blair eiskalt den Rücken hinuntergelaufen: Wer war Frankie und was hatte er mit ihr vor? Sie klammerte sich zwar immer noch an die Hoffnung, daß man sie nur entführt hatte, damit sie einem Verwundeten Hilfe leisten sollte; aber da man ihr nicht erlaubt hatte, ihre Ärztetasche mitzunehmen, war diese Hoffnung doch eher eine Illusion.
Als man ihr schließlich die Binde von den Augen nahm, stand sie vor einer schon ziemlich mitgenommenen Blockhütte mit einer Veranda dahinter, deren Stützpfähle schon teilweise zusammengebrochen waren. Um sie herum standen sechs Männer, alles schmächtige Figuren, die auf sie den gleichen stupiden Eindruck machten wie der Cowboy, der sie auf der Straße angehalten hatte. Zu ihrer Rechten bemerkte sie einen kleinen Korral und in der Nähe ein paar kleine Schuppen. Und das Ganze war von steilen, hohen Klippen umfriedet. Weiße Felsen schützten — und versteckten — diese Leute wie ein Fort vor der Außenwelt. In diesem Augenblick vermochte Blair nicht einmal den Zugang zu dieser Schlucht zu entdecken; aber da man sie auf einem Pferd hergebracht hatte, mußte es so einen Zugang geben. Vermutlich war er so schmal, daß er von der Blockhütte gänzlich verdeckt wurde.
Doch sie verlor rasch das Interesse an ihrer Umgebung, als sich nun Frankie auf der Veranda zeigte — die Französin, der Leander sein Herz geschenkt hatte. Haß, Wut und Eifersucht wirkten zusammen, daß Blair nur sprachlos dastehen und zu der Frau hinaufstarren konnte, die diesen Haufen von schwachsinnigen Banditen anführte.
Jemand stieß Blair auf die Veranda und in die Blockhütte hinein - ein schmutziges, dunkles Loch mit einer Trennwand, die es in zwei Räume aufteilte. In dem einen stand ein Tisch mit ein paar wackeligen Stühlen, in dem anderen ein Bett. Die Vorräte waren im vorderen Zimmer auf dem Fußboden ausgebreitet.
In den ersten vierundzwanzig Stunden war ihre Bewachung ziemlich lax gewesen; aber nach vier Fluchtversuchen, von denen der
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