Herz aus Glas (German Edition)
den er mir auf der Poolparty gegeben hatte. Dr. Redwood hatte behauptet, dass ich die Droge über einen längern Zeitraum und nicht nur ein einziges Mal zu mir genommen haben musste. »Bei der Poolparty?«, murmelte ich.
»Poolparty ist gar nicht schlecht.«
»Der Cocktail!«
Er schüttelte den Kopf. »Nope.«
Ich hätte ihn vor lauter Anspannung beinahe angeschrien. Nur mit Mühe beherrschte ich mich. »Wie dann?«, hauchte ich.
Er beschloss, mich nicht länger rätseln zu lassen. »Ich habe bei unserem ersten Frühstück gesehen, dass du Magnesium nehmen musst. Bei der Poolparty hast du deine Tasche mit den Kapseln in der Umkleidekabine liegen lassen. Es war einfach, sie zu präparieren. Sie lassen sich ganz leicht öffnen und das Pulver darin durch ein anderes ersetzen.« Er sah stolz, geradezu glücklich aus. »Ich habe in jede Kapsel nur eine winzige Menge getan. Auf diese Weise hast du dich nach und nach selbst vergiftet. White Rage reichert sich im Organismus an und die Wirkung steigt langsam, aber stetig an. Genial, oder?« Seine Augen glänzten.
»Warum hast du Taylor das Ganze in die Schuhe geschoben?«
»David. Er war mir dicht auf den Fersen. Wenn ich es nicht getan hätte, wäre er darauf gekommen, was tatsächlich los ist. Als du mir auf der Cocktailparty gesagt hast, dass du Rebecca gekauft und gleichzeitig auch noch davon erzählt hast, wie David dich in Taylors rotem Kleid erwischt hat, da kam mir die Idee. Schließlich ist in dem Buch die Hausangestellte die Mörderin. Und da das mit der Milch sowieso gut passte, habe ich eben Taylor gewählt.«
»Dann hast du diese ganzen Spielchen mit dem Buch getrieben«, begriff ich. »Du hast es gegen eine zweite Ausgabe ausgetauscht. Und später hast du nur so getan, als hättest du es in ihrem Zimmer gefunden.«
Er nickte zufrieden. »Die Schlüssel zu deinem Appartement habe ich übrigens von Grace gestohlen.«
Plötzlich schien ihm aufzufallen, dass ich ihn mit meinem Gerede von seinem eigentlichen Ziel abhielt. Er umfasste meinen Oberkörper fester. Dann zerrte er mich auch noch den Rest des Weges bis zu den Klippen.
Die Brandung war heute nicht so laut wie gewöhnlich. Vielleicht lag das aber auch daran, dass es in meinen Ohren jetzt angefangen hatte zu rauschen. Die Angst kehrte mit doppelter Wucht zurück und mein Blutdruck lag vor Panik wahrscheinlich irgendwo jenseits der zweihundert. Adrenalin schoss durch meine Adern, aber es nützte überhaupt nichts. Ich hatte Henrys Kraft nichts entgegenzusetzen. Ohne mich loszulassen, drängte er mich bis an den Rand der Abbruchkante, sodass ich in die Tiefe blicken konnte.
In diesem Moment wusste ich, dass ich sterben würde.
Das Meer reichte heute nicht bis an den Fuß der Klippen. Spitze, scharfkantige Felsen ragten unter mir auf und ich glaubte schon, sie auf mich zufliegen zu sehen, aber Henry riss mich noch einmal zurück.
»Lass sie gehen!«
Die wenigen Worte waren Musik in meinen Ohren. Ich versuchte, mich in Henrys Umklammerung umzudrehen, aber es gelang mir nicht. Erst, als Henry selbst sich zu der Stimme umwandte, konnte ich David sehen. Er stand am Ende des Pfades und blickte uns aus riesengroßen dunklen Augen an. Sein Gesicht war weiß wie eine Wand, die eine gesunde Hand hing zur Faust geballt neben seinem Oberschenkel herab. »Lass sie gehen, Henry, ich bitte dich!«
»Wieso sollte ich?« Henry brüllte fast. Sein Arm rutschte ein wenig höher. Er legte sich jetzt um meinen Hals und drückte zu, sodass ich mich ganz steif machen musste, um noch Luft zu bekommen.
»Weil du dich an mir rächen willst. Juli ist völlig unschuldig. Ich bitte dich noch einmal: Lass sie gehen!« David trat vor. Er war jetzt nur noch wenige Schritte von uns entfernt. Sein Blick wanderte nach unten zu den Felsen. Dann richtete er ihn auf mich und ich erkannte etwas darin, das mich vor Entsetzen aufwimmern ließ. Er war bereit zu springen, wenn das bedeutete, mein Leben zu retten!
»Nicht!«, gelang es mir zu flüstern.
David reagierte nicht darauf. Und Henry auch nicht.
Ich versuchte, mich mit dem Gedanken vertraut zu machen zu sterben. Es ging nicht. Es war einfach unmöglich, es sich überhaupt nur vorzustellen.
Henry sagte etwas zu mir, aber ich hatte nicht zugehört. Ich klebte an Davids Blick, weil es das Letzte sein sollte, was ich im Leben sehen wollte.
Mit einem brutalen Ruck machte Henry mich wieder auf sich aufmerksam. Er lockerte seinen Griff ein wenig, sodass ich reden konnte. »Ich habe
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