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Herz aus Glas (German Edition)

Herz aus Glas (German Edition)

Titel: Herz aus Glas (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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fühlte sich zwischen meinen Fingern glatt und seidig an und schimmerte in einem Farbton, der dem von Taylors Badeanzug ähnelte.
    Plötzlich hatte ich das Gefühl, es unbedingt wissen zu müssen. »Wie ist sie gestorben?«, stieß ich erneut hervor, ohne Taylor dabei anzusehen.
    Taylor schwieg lange. »Man sagt, sie ist von den Klippen gesprungen«, murmelte sie dann.
    Die Worte hingen unheilvoll in der Luft.
    »Von den Klippen«, wiederholte ich. Eine leichte Übelkeit kroch mir die Kehle empor. »Wie …« Ich sprach es nicht aus, aber wir beide wussten, was ich hatte sagen wollen.
    Wie Charlie.
    Taylor stieß ein zorniges Lachen aus. »Wie Charlie. Genau! Fast könnte man meinen, dass an diesem Fluch von Madeleine Bower tatsächlich etwas dran ist, oder?«
    »Es ist eine Sage!«, behauptete ich lahm. »Es gibt keine Geister.«
    Sie nickte. Sehr ernsthaft sah sie aus. »Das stimmt. Wohl aber gibt es einen psychologischen Effekt, der sich Massenpsychose nennt. Wenn die Bedingungen stimmen, stecken sich Menschen mit den absurdesten Ideen und Gedanken gegenseitig an.«
    »Du glaubst, dass das der Grund ist, warum Charlie und Amanda Bell gesprungen sind? Weil Amandas Selbstmord Charlie in ihrem Glauben an den Geist bestärkt hat?« Ich ließ mich auf die Kante von Taylors Bett sinken, weil ich das Gefühl hatte, meine Knie würden zittern.
    »Nicht nur die beiden. Im Laufe der vergangenen Jahrhunderte sind immer wieder Frauen von der Klippe gesprungen.« Sie schluckte an dieser Stelle. »Ich weiß keine Einzelheiten, aber ich weiß, dass es auf der Insel Menschen gibt, die an den Fluch von Madeleine glauben.«
    Grace, dachte ich, sprach es aber nicht aus. Stattdessen musterte ich Taylor. Das Gespräch schien sie ziemlich traurig gemacht zu haben, jedenfalls hatten sich tiefe Linien um ihre Mundwinkel gegraben, die allerdings verschwanden, als sie sich zu einem Lächeln zwang. »Wollen wir doch mal sehen, was dir so steht!«, sagte sie, zerrte mich auf die Füße und hielt mir das schwarze Etuikleid vor den Leib. »Zieh das mal an!«
    Ich gehorchte und sie musterte mich mit kritischem Blick. »Unmöglich! Du siehst darin aus, als wolltest du zu einer Beerdigung.«
    Sie erstarrte kurz, bis wir beide in verlegenes Lachen ausbrachen. Ich zerrte mir das Kleid wieder über den Kopf. Aber statt eines der anderen vom Bett zu nehmen, wandte Taylor sich ihrem Schrank zu, zog ein hellgrünes, weit schwingendes Cocktailkleid vom Bügel und hielt es vor mich hin. »Falsche Farbe. Damit siehst du aus, als wäre dir schlecht.«
    Mit derselben Begründung verwarf sie auch das gelbe von ihrem Bett. Achtlos schob sie es zur Seite und nahm stattdessen das dunkelblaue. »Das sieht doch nicht schlecht aus. Probier es an!«
    Aber ich hatte in der Zwischenzeit ganz in der Ecke des Kleiderschrankes etwas anderes entdeckt. Ich ging hin und nahm ein Kleid aus roter Seide hervor, hochgeschlossen und mit langen Ärmeln. »Das sieht toll aus!«, rief ich und drehte mich damit zu Taylor um.
    Sie schüttelte energisch den Kopf. »Lieber nicht!« Plötzlich war sie ein bisschen blass um die Nase.
    »Warum nicht?« Ich hielt das Kleid vor mich und betrachtete mich im Spiegel. Die Farbe harmonierte ähnlich gut mit meinem Teint wie das Blau des Cocktailkleides. »Willst du es nicht verleihen?« Ich konnte es verstehen. Das Kleid sah ziemlich kostbar aus.
    Taylor schüttelte noch immer den Kopf. »Das ist es nicht.« Sie wirkte fast ein bisschen nervös.
    »Was dann? Ich …« Weiter kam ich nicht, denn in diesem Moment öffnete sich die Tür und David trat ein. Erschrocken bedeckte ich mich mit dem roten Kleid, denn ich stand nur in Höschen und BH da. Davids Blick fiel jedoch zuerst auf Taylor. Mitten auf der Schwelle erstarrte er.
    »Entschuldigt, ich wusste nicht, dass du …« Dann erst bemerkte er mich. Und das rote Kleid. Er wurde bleich.
    »Leg das weg«, flüsterte er.
    Er kam einen Schritt näher. Taumelte er? Es sah fast so aus.
    »David!«, flüsterte ich. »Was ist …«
    Mit einer heftigen Handbewegung schnitt er mir das Wort ab. Ich zuckte vor seiner Bewegung zurück, glaubte schon, er würde mich anbrüllen oder mir eine scheuern, aber er tat nichts davon. Was er tat, war weitaus schlimmer. Er senkte einfach nur den Blick auf den Boden zwischen uns, sodass ihm die Haare in die Stirn fielen. Jetzt schwankte er tatsächlich.
    »Bitte leg dieses Kleid weg«, wiederholte er mit erstickter Stimme.
    Vor Scham und Schrecken über seine

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