Herz aus Glas (German Edition)
fast die Augen aus dem Kopf.
»Tja«, murmelte er verlegen und blickte an sich herunter, »sieht so aus, als wäre ich derjenige, der hier den Elegantheitsquotienten etwas nach unten zieht.«
»Als Ehrengast darf man das!« Jason lachte, dann trat er neben meinen Vater und legte ihm einen Arm um die Schultern. »Das ist er, unser derzeit hellster Stern am Bestsellerhimmel: Bob Wagner!« Er nötigte Dad vorzutreten, sodass Roman und Suzie ihn begrüßen konnten. Sie taten es mit den üblichen Hallos und Küsschen und dem ganzen typisch amerikanischen Heiteitei.
»Ich freue mich sehr«, behauptete mein Vater. Er hätte nicht erschrockener aussehen können, wenn man ihn vor ein Erschießungskommando gestellt hätte. Fast tat er mir ein bisschen leid.
Jason befahl Grace, das Essen aufzutragen, und wies jedem von uns einen Platz zu. Mein Vater als Ehrengast dieser Veranstaltung musste zu seiner Rechten sitzen, David zu seiner Linken. Ich wurde direkt neben David platziert.
Als wir uns setzten, versuchte ich zu ergründen, ob er wegen des Kleides vorhin noch immer böse auf mich war. Aber er wich mir aus. Er rückte mir den Stuhl zurecht, sodass ich mich – leider wegen der ungewohnt hohen Absätze ein bisschen unelegant – darauf niederlassen konnte. Dann setzte er sich selbst, mit steifem, geradem Rücken und ausdrucksloser Miene.
»Also, Bob«, riss Roman sogleich das Gespräch an sich. »Erzählen Sie! Woran arbeiten Sie gerade?«
Wenn er über seine Bücher sprechen durfte, taute Dad schnell auf und so plätscherte das Gespräch bald über David, Henry und mich hinweg. Eine Weile saßen wir drei einfach schweigend nebeneinander, hörten zu und hielten uns an unserem Besteck und unseren Gläsern fest. Zum Essen wurde ein leichter Weißwein serviert und Jason entschied, dass wir davon ein Glas abbekommen sollten. Als ich ein paar Schlucke getrunken hatte und seine Wirkung in Magen und Kopf spürte, dachte ich daran, wie David bei der Poolparty in schneller Folge zwei Whiskeys gekippt hatte. Ob sein Vater davon etwas ahnte?
Ich war erleichtert, als Henry sich endlich entschied, uns in ein Gespräch zu verwickeln, und dadurch das unangenehme Schweigen an unserem Teil der Tafel unterbrach.
»Woher hast du das Kleid, Juli?«, fragte er mich.
Ich erzählte es ihm.
Er nickte zustimmend. »Sieht klasse aus! Nicht wahr, David? Ich habe schon die ganze Zeit gedacht, dass in unserer Juli eine richtig hübsche Maus steckt!« Er sagte es in so einem neckenden Tonfall, dass ich beschloss, darauf einzugehen. Zumindest konnten wir ja so tun, als sei das hier alles ein riesengroßes Vergnügen.
»Na, vielen Dank!«, gab ich also ebenso betont fröhlich zurück, auch wenn es mir in Davids Gegenwart fast unmöglich war, mich unbeschwert zu geben. »Und was bist du? Der Casanova des 21. Jahrhunderts oder was?«
Er deutete über seinem Teller eine kleine Verbeugung an. »Jederzeit zu Diensten, schöne Frau! Jetzt sag doch mal, David! Findest du nicht auch, dass Juli in dem blauen Kleid umwerfend aussieht?«
David antwortete nicht sofort. Er hatte den Kopf gesenkt, sodass ihm die Haare in die Stirn fielen und ich seine Augen nicht sehen konnte. Sehr konzentriert nahm er einen Bissen von dem Serrano-Schinken, der als erster Gang gereicht worden war. Die Knöchel seiner Finger traten weiß hervor, so sehr krampfte er die Hände um Messer und Gabel.
»Besser als das rote«, sagte er, nachdem er gekaut und geschluckt hatte.
Ich zuckte zusammen. Sofort erfüllte mich wieder die Scham, die ich schon gespürt hatte, als ich mit dem elenden Kleid vor ihm gestanden hatte. Es fühlte sich an, als würde ich von innen heraus verbrennen.
Henry stieß einen überraschten Laut aus. »Seit wann so ungalant?«
David zuckte nur die Achseln. Sein Blick war fest auf den Tisch gerichtet.
Henry verdrehte die Augen, dann wandte er sich an mich. »Was meint er?«
»Hat Taylor dir nicht erzählt, wie ich halb nackt mit einem roten Kleid vor ihm gestanden habe?«
»Echt?« In einer überzogenen Geste weitete Henry die Augen. »Halb nackt?«
Ich schlug nach ihm, aber er lachte nur. Seine Stirn allerdings lag in tiefen Falten und an der Art, wie der David musterte, erkannte ich, dass er sich noch immer Sorgen um ihn machte. »Doch. Hat sie natürlich«, sagte er ernst.
David hob den Blick und bohrte ihn in meinen. Ich hatte keine Ahnung, was gerade hinter seiner Stirn vorging, aber mir kam es so vor, als würde er mich bis auf den Grund
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