Herz aus Glas (German Edition)
Ausdruck von Betroffenheit, als Davids Name fiel. »Oh. Ja. Eine gute Sache, Mädchen!«
Ich verschluckte mich fast vor Ärger. Wie konnte Jason diesen beiden Upperclass-Zombies gegenüber nur so herablassend von David sprechen? Brav schüttelte ich den beiden die Hand. »Freut mich!«, sagte ich durch zusammengebissene Zähne.
Jason blickte suchend umher, bis er Grace entdeckte, die am Fuße der Freitreppe stand. »Grace, wären Sie bitte so freundlich und würden meinen Sohn holen?« Er wedelte in Richtung Treppe und Grace neigte den Kopf.
»Natürlich, Mr Bell.« Mit schnellen, fast lautlosen Schritten eilte sie nach oben, während Jason einen Arm um Suzies und einen um meine Schultern legte und uns plappernd in Richtung Speisezimmer bugsierte.
»Es gibt ein leichtes Abendessen, dann, dachte ich, die Bibliothek ist ein angemessener Ort, um die Drinks zu sich zu nehmen. Bob kommt auch gleich. Er war heute auf dem Festland und hat ein bisschen für seinen neuen Roman recherchiert. Er freut sich schon sehr darauf, dich kennenzulernen, Roman. Und später dann stoßen noch Kimmi und zwei Lektorinnen aus dem Verlag zu uns.«
Ich hatte keine Ahnung, wer Kimmi war, aber dass die Angestellten nicht zum Essen eingeladen waren, war in meinen Augen bezeichnend. Bei Jasons Behauptung, dass mein Vater sich auf diesen Abend freute, hatte ich grimmig lächeln müssen. Wie ich Dad kannte, tigerte er im Augenblick durch sein Appartement und überlegte sich eine Ausrede nach der nächsten, die es ihm ermöglichen würde, diese Veranstaltung hier zu schwänzen und stattdessen an seinem Roman weiterzuschreiben. Wahrscheinlich war er inzwischen bei der unvorhergesehenen Landung eines Ufos auf dem Rasenvorplatz angekommen.
Wir erreichten das Speisezimmer, das heute Abend ausnahmsweise einmal verblüffend gut geheizt worden war. Der Tisch war in Weiß und Silber eingedeckt und ein üppiger Strauß ebenfalls weißer, stark duftender Blumen thronte in der Mitte. Es waren keine Lilien, aber bei der sonderbar morbiden Stimmung hier im Haus hätte mich auch das nicht mehr gewundert.
Jason führte uns zu einem kleinen Barwagen, auf dem eine ganze Batterie Karaffen mit verschiedenfarbigen Flüssigkeiten stand. »Solange die anderen noch nicht da sind, sollten wir es uns gut gehen lassen, was meint ihr? Was möchtest du trinken, Suzie?«
Suzie bestellte einen Cosmopolitan und Jason mixte ihn ihr eigenhändig und sehr gekonnt. Roman bekam Bourbon on the rocks und ich bat um ein Sodawasser. Ich war noch lange keine einundzwanzig – das Alter, in dem man in den USA offiziell Alkohol trinken durfte.
Als ich gerade Suzie zuprostete, öffnete sich die Speisezimmertür und David und Henry kamen herein.
Mein Herz zog sich bei Davids Anblick schmerzhaft zusammen.
Er hatte sich ebenfalls in ein Dinnerjacket geworfen. Das Weiß des Stoffes war kaum heller als sein blasses Gesicht. Die Ärmel des Jacketts ragten ihm ein bisschen zu weit über die Hände hinunter, so als sei er kürzlich ein Stück geschrumpft. Er hielt das Kinn sorgfältig erhoben und an der Art, wie er sich bewegte, konnte ich sehen, wie viel Mühe es ihn kostete, den nächsten Schritt zu tun.
Henry, in schwarzer Hose und dunkelblauem Blazer mit einem Seidentuch im Ausschnitt, hielt sich in seiner Nähe, als müsse er ihn vor dem Zusammenbrechen bewahren.
»Suzie«, sagte David ausgesucht höflich, aber mit lebloser Stimme. »Roman.«
Suzie gab ihm die obligatorischen Küsschen auf die Wange. »Oh David! Das mit Charlie tut mir so unendlich leid! Wenn ich irgendwas für dich tun kann …« Sie ließ den Satz bedeutungsschwer in der Luft hängen.
Davids Kehlkopf ruckte. »Danke Suzie, mir geht es gut.«
Henry hinter ihm verdrehte ganz kurz die Augen, aber ich glaube, außer mir bemerkte das niemand. Er warf mir einen Blick zu, der gleichzeitig genervt und hilflos aussah.
Ja, dachte ich. Ich würde ihn am liebsten auch hier rausschaffen!
David erwiderte Romans Händedruck und ertrug seinen gönnerhaften Klaps auf die Schulter. Quer durch den Raum hindurch begegneten sich unsere Blicke und ich hoffte, dass er nicht nur aus Henrys, sondern auch aus meiner Anwesenheit ein bisschen Kraft ziehen konnte.
Jedenfalls nickte er mir dankbar zu.
Die Speisezimmertür öffnete sich ein weiteres Mal, Grace führte meinen Vater herein. Dad trug ein ganz normales, klein kariertes Tweed-Sakko, das in dieser mondänen Umgebung ziemlich underdressed wirkte. Als er mich bemerkte, fielen ihm
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