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Herz aus Glas (German Edition)

Herz aus Glas (German Edition)

Titel: Herz aus Glas (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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Bord gewesen sein.«
    Da endlich hellte sich Crystals Miene auf. »Du redest von dem Inselfluch!«
    Ich nickte und legte beide Hände um mein Kaffeeglas, um sie zu wärmen.
    »Den kennt hier jeder!« Sie trank ebenfalls und wischte sich den Milchschaum mit einer gezierten Geste von der Oberlippe. »Aber das sind doch nur Schauermärchen, die man den Kindern erzählt, wenn sie nicht brav sein wollen.« Sie beugte sich vor und tat verschwörerisch. »Wenn du jetzt nicht schläfst, kommt Madeleines Geist und holt dich!« Grinsend lehnte sie sich wieder zurück. »Hat mein Großvater immer zu mir gesagt.«
    »Es scheint aber eine Menge Leute zu geben, die glauben, es sei was dran«, murmelte ich.
    Crystal musterte mich. »Sag nicht, du glaubst an diesen Schwachsinn?« Wieder trank sie einen Schluck. Über den Rand ihres Glases hinweg ließ sie mich nicht aus den Augen. Dann, als sie ihren Kaffee wieder hinstellte, begriff sie. »Du glaubst nicht daran. Du beschäftigst dich wegen David damit!«
    Jetzt war es an mir, fragend zu schauen.
    »Na, ich meine, wegen Charlie! Sie war fasziniert von dieser alten Sage! Du willst es ihr nachmachen, damit er anfängt, sich für dich zu interessieren!«
    Es ärgerte mich, dass sie so ein Bild von mir hatte. Glaubte sie etwa, dass ich es nötig hatte, zu solch leicht durchschaubaren Mitteln zu greifen, damit David mich überhaupt wahrnahm? Wahrscheinlich schon, gab ich mir selbst die Antwort. Crystal glaubte es und jetzt, wo ich hier saß und sie mir ansah – sie und dieses mondäne Café auf dieser überteuerten Insel –, da hätte ich es fast selbst geglaubt. Ich schob jeden Gedanken an David so weit wie möglich von mir – was mir genau zweieinhalb Sekunden lang gelang. Schon blitzte sein trauriges Gesicht wieder vor meinem inneren Auge auf.
    So gleichmütig wie möglich zuckte ich die Achseln. »Er hat vor sechs Wochen seine Verlobte verloren. Ich bin nicht blöd, Crystal! Ich weiß, dass er sich niemals im Leben für mich interessieren wird.« Wieder war da dieser heftige Schmerz in meiner Brust.
    Sie schien drauf und dran, bestätigend zu nicken, aber dann wurde ihr bewusst, wie gehässig das wirken musste. Mit einem bedauernden Ausdruck lächelte sie mich an, und das war fast noch schlimmer, als wenn sie genickt hätte. Herzlichen Dank!, dachte ich grimmig. Ihr war überhaupt nicht klar, wie herablassend ihr Mitleid auf mich wirkte. Fieberhaft suchte ich nach einem anderen Thema, aber Crystal kam mir zuvor.
    »Sag mal«, begann sie völlig unvermittelt. »Hast du eigentlich an Silvester schon was vor?«
    Silvester war übermorgen. Ich dachte an die Party, die meine Freunde in Boston organisiert hatten. Vielleicht sollte ich meinen Vater überreden, an diesem Abend wieder zu Hause zu sein. Diese ganze Sache mit David hatte begonnen, mir ziemlich über den Kopf zu wachsen. »Eigentlich nicht«, antwortete ich vorsichtig auf Crystals Frage. »Wieso?«
    »Oh. Nur so. Ein paar Leute und ich planen eine kleine Party unten am Strand von Lilly Pond. Ab zweiundzwanzig Uhr wollen wir uns dort treffen und feiern. Die Jungs haben Alkohol organisiert.«
    »Am Strand?« Ich zog skeptisch die Augenbrauen zusammen und warf einen Blick aus dem Fenster in einen bleigrauen Himmel. »Es sind kaum null Grad!«
    Sie nickte begeistert. »Wir machen große Feuer an. Glaub mir, das ist großartig und überhaupt nicht kalt! Wenn du Lust hast, komm doch auch. Ich meine, so prickelnd wird die Silvesterfeier auf Sorrow ja wohl nicht werden, oder?«
    Da immerhin musste ich ihr recht geben. Die Vorstellung, den Silvesterabend in diesem düsteren, unheimlichen und so unendlich von Schwermut erfüllten Haus zu verbringen, schnürte mir jetzt schon die Luft ab. Ich dachte an meine Freundin Miley und die anderen von meiner Clique. Doch als ich mein Kaffeeglas hob und einen weiteren Schluck von dem ekelhaft süßen Zeug in mich hineinzwängte, drängte sich ein anderes Gesicht vor das meiner Freunde.
    Davids Gesicht.
    Ich hörte seine leise, verzweifelte Stimme, die sagte: »Lasst mich doch einfach alle in Ruhe!«
    Energischer als beabsichtigt stellte ich das Glas zurück auf den Tisch. »Gut«, sagte ich. »Ich komme. Aber nur, wenn ich David mitbringen darf!«

W ir unterhielten uns noch eine Weile über Belanglosigkeiten, bis ich behauptete, ich müsse zurück, weil sie sich auf Sorrow sonst Sorgen um mich machen würden. »Sie wissen, dass ich gerne und lange jogge, aber ich bin jetzt schon stundenlang

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