Herz aus Glas (German Edition)
Gesellschafterin? Ich unterdrückte das Gefühl, hier als Angestellte eingeordnet zu werden, und schenkte Ricky ein freundliches Lächeln. »Mein Vater schreibt in Jasons Haus an seinem neuen Bestseller«, sagte ich honigsüß. »Und er hat mich gebeten, ihn zu begleiten.« Ich hoffte, dass die Tatsache, dass ich den Herrn Verleger Jason Bell beim Vornamen nannte, für gebührenden Eindruck sorgen würde. Und so war es auch.
Ricky verzog überrascht und anerkennend zugleich das Gesicht. »Du bist Bob Wagners Tochter?«
Warum hatte ich den Eindruck, dass in diesem Satz schon wieder eine Spitze verborgen lag?
»Lass gut sein, Ricky!«, mischte Crystal sich ein. »Juli ist echt voll in Ordnung! Sie kann nichts dafür, dass ihr Alter sie dazu gedrängt hat, für David das Kindermädchen zu spielen.« Als sie David erwähnte, schaute ich erneut zu ihm hinüber. Jemand war gerade an ihn herangetreten und bot ihm eine Flasche Bier an. Er nahm sie und bedankte sich, trank aber nicht. Stattdessen starrte er schweigend in eines der Feuer.
»Ich weiß nicht.« Ricky zog eine Schnute und nahm einen Schluck aus ihrer eigenen Bierflasche, die sie in ihren pinkfarbenen Krallen hielt. Ihr Blick huschte über den Strand, als sei sie auf der Suche nach jemandem, und als sie David entdeckte, veränderte sich etwas an ihrer Haltung. Mit einer unbewussten Geste strich sie sich ihre wilden roten Haare hinters Ohr. In diesem Augenblick begriff ich, dass Ricky scharf auf David war. Ich konnte es mir nicht entgehen lassen, diese Erkenntnis auszunutzen. Ich tat so, als wollte ich ihr eine verschwörerische Neuigkeit zuflüstern, und beugte mich dafür dicht an ihr Ohr. »Er hat was Besonderes, nicht wahr?«, säuselte ich so spöttisch, wie ich konnte.
Ricky wich ein Stück zurück und starrte mich wütend an. Es war nicht angenehm, durchschaut zu werden, das wusste ich aus eigener, leidvoller Erfahrung. Schnippisch zuckte sie die Achseln. »Klar. Wenn man auf Vampire steht.« Und damit wandte sie sich demonstrativ den anderen Mädchen zu, die unseren kleinen Schlagabtausch die ganze Zeit schweigend und auch ein wenig staunend verfolgt hatten.
Crystal hakte mich erneut unter und zog mich zu einer improvisierten Bar, die man aus ein paar Brettern zusammengezimmert hatte. »Nimm's ihr nicht übel!«, bat sie mich. »Ich glaube, sie ist ein bisschen in David verschossen.«
Ein etwas dicklicher Typ mit mindestens einer Million Sommersprossen stand hinter der Bar und schenkte an alle, die vorbeikamen, Getränke aus. »Hey!«, begrüßte er mich. »Was soll's sein?«
Ich bestellte mir ebenfalls ein Bier, obwohl ich eigentlich nicht so darauf stand. Aber hier schienen heute Abend alle Bier zu trinken und ich wollte nicht noch mehr auffallen, als ich es ohnehin schon tat.
»Sie ist nur neidisch auf dich«, erklärte Crystal mir, während ich den ersten Schluck nahm und mich anstrengen musste, nicht das Gesicht zu verziehen.
»Neidisch?« Ich ließ die Bierflasche sinken.
»Klar. Weil David dich beobachtet, nicht sie.« Mit dem Kinn wies sie so unauffällig wie möglich in Davids Richtung.
Er beobachtete mich tatsächlich.
Als er sah, dass ich es bemerkt hatte, senkte er rasch den Blick.
In meinem Magen begannen Schmetterlinge zu flattern.
»Ich bin mit ihm hier«, sagte ich zu Crystal. »Ich sollte mich mal ein bisschen um ihn kümmern.«
Aber sie ließ mich nicht aus ihren Fängen. »Gleich!«, bestimmte sie. Sie trank ihr eigenes Bier aus und stellte die leere Flasche auf die Theke. Unaufgefordert gab der Sommersprossentyp ihr ein neues. »Wusstest du, dass ich Charlies Brautjungfer war?«, murmelte sie dann und räusperte sich schwer. »Ich wäre es zumindest gewesen, wenn …« Sie ließ die Bierfl asche sinken und es kümmerte sie nicht, dass die Hälfte der Flüssigkeit herausschwappte.
Ich starrte auf die Lache im Sand zu unseren Füßen und wusste nicht, was ich sagen sollte. »Es muss eine ziemliche Ehre sein, darum gebeten zu werden«, meinte ich endlich. »Brautjungfer zu sein, meine ich.«
»Ehre!« Jemand hinter mir schnaubte spöttisch. Ich drehte mich um. Es war Ricky. »Wenn Charlie etwas von einem wollte, dann hat man es besser nicht abgelehnt!«, sagte sie bedeutungsvoll. Um ihren geschminkten Mund lag ein grimmiger Zug und ich fragte mich, was sie wohl mit ihrer Behauptung gemeint hatte. Besonders freundlich hatte sie ja nicht geklungen – was mich überraschte. Bisher hatte jeder, den ich nach Charlie gefragt
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