Herz aus Glas (German Edition)
hatte, immer nur in höchsten Tönen von ihr geschwärmt.
»Wie meinst du das?«, fragte ich und ignorierte die Tatsache, dass sie mich immer noch nicht ernst zu nehmen schien.
Rickys Lippen kräuselten sich zu einem verächtlichen Lächeln, von dem ich nicht genau wusste, ob es mir oder Charlie galt. »Sie war …«
Crystal lachte auf. Es war ein helles, übertrieben lautes Geräusch. »Ach, hören wir doch auf, von Charlie zu reden!«, rief sie aus.
Auf seinem Platz beim Feuer ruckte Davids Kopf hoch und er schaute in unsere Richtung. Seine Miene verfinsterte sich, als er sah, mit wem ich redete.
Was?, dachte ich so intensiv, wie ich konnte. Sie hat davon angefangen, nicht ich!
Ricky bemerkte seinen Blick. »Du hast recht«, sagte sie und im Gegensatz zu Crystal sprach sie absichtlich so laut, dass er es hören musste. »Reden wir lieber von was anderem, schließlich ist Charlie tot.«
Selbst über die Entfernung hinweg konnte ich sehen, wie sich die Muskeln an Davids Unterkiefer abzeichneten, als er die Zähne zusammenbiss.
Kurz darauf schaffte ich es, mich endlich von den Mädchen loszueisen. Ich ging zu David, der sich noch keinen Millimeter gerührt hatte, seitdem wir hier waren.
»Ich glaube, die wollen um jeden Preis verhindern, dass ich mich zu dir setze«, seufzte ich halb im Scherz und ließ mich neben ihm auf dem Baumstamm nieder. Meine Bierflasche hatte ich noch immer in der Hand, aber jetzt stellte ich sie neben meinen Füßen in den Sand.
»Weißt du, wovon ich nachts träume?«, fragte er völlig überraschend und ohne auf meinen Scherz einzugehen.
Erstaunt sah ich ihn an. »Nein …«, antwortete ich vorsichtig.
Er schwieg. An seiner Schläfe pochte eine Ader, das konnte ich im Schein des Feuers deutlich sehen.
Der Baumstamm war eisig und ich spürte, wie die Kälte durch meine Jeans drang. Ich rührte mich nicht, als sei David ein scheues Tier, das durch die geringste Bewegung zur Flucht getrieben werden würde.
»Nachts im Traum sehe ich Charlies Gesicht.« Er sprach ganz leise und der Schmerz in seinen Worten fuhr mir mitten ins Herz. »Ich sehe sie, wie sie in der Dünung liegt. Das Wasser rinnt über ihr Gesicht und der Tang in ihrem Haar …« Seine Stimme versagte.
Ich schluckte gegen die Tränen an, die mir in die Augen schießen wollten. Also war er dabei gewesen, als sie gesprungen war! Ich war unfähig, mir auszumalen, was das für ihn bedeutete. »Ich kann mir nur versuchen vorzustellen, wie sehr dich das quält«, flüsterte ich.
David sah mich an. »Du ahnst nicht, wie sehr!«
In diesem Moment zersprang mein Herz aus Glas in tausend winzige Splitter, die meinen Brustkorb füllten und einen so scharfen Schmerz verursachten, dass ich aufkeuchte.
Davids Augen weiteten sich ein wenig. »Alles okay?«
Hastig nickte ich. »Klar.« Ich hatte keine Ahnung, ob meine Stimme wirklich so leicht klang, wie ich es beabsichtigt hatte. Ich war vollauf damit beschäftigt, David meinen Schmerz und Liebeskummer nicht sehen zu lassen. Ich grub die Fingernägel in die raue Rinde des Stammes, bis es anfing wehzutun. Der dumpfe Schmerz war nichts im Vergleich zu dem Schmerz in meiner Brust und so nahm ich betrübt die Bierflasche wieder in die Hand. In diesem Moment war ich mir ganz sicher, dass ich gegen Charlie niemals im Leben eine Chance haben würde. Niemals würde es mir gelingen, sie aus Davids Herzen zu vertreiben und ihren Platz einzunehmen.
Schwer lag sein Blick auf meinem Gesicht und ich hätte alles dafür gegeben zu erfahren, was hinter seiner Stirn vor sich ging. Ich konnte nicht weiter darüber nachdenken, denn auf einmal war Henry bei uns.
»Was du da eben gesagt hast, Kumpel, ist Bullshit!« Er warf einen Blick auf meine Bierflasche, sah, dass sie noch ganz voll war, und nahm sie mir weg. Er trank einen langen Schluck, bevor er weitersprach. »Du kannst Charlie nicht so gesehen haben, wie du behauptest, und das weißt du!« Herausfordernd starrte er David ins Gesicht.
Der hielt seinem Blick stand. Es war unheimlich, den starken Kontrast zwischen den beiden zu sehen: Auf der einen Seite Henry, laut und lebenslustig und sogar jetzt noch mit einem leicht spöttischen Funkeln in den Augen. Auf der anderen Seite David, still und in sich gekehrt. Und zornig.
»Ich …«, setzte er an, aber Henry fiel ihm mitten ins Wort.
»Du kannst Charlie nicht in der Brandung gesehen haben!«, wiederholte er. Beiläufig gab er mir meine Bierflasche zurück. Ich nahm sie, ohne sie
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