Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herz aus Glas (German Edition)

Herz aus Glas (German Edition)

Titel: Herz aus Glas (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
Vom Netzwerk:
Sie wirkte so erschrocken, dass mir die Sache schon wieder unheimlich wurde.
    »Schon gut«, nickte ich. »War nur so eine Idee. Danke.«
    Ich verließ das Haupthaus und auf halbem Wege zum Gästehaus begegnete ich auf dem Plattenweg Henry.
    »Guten Morgen!«, rief er gut gelaunt wie immer. Er hatte leichte Schatten unter den Augen, aber er sah nicht so aus, als hätte er Kopfschmerzen oder gar einen echten Kater. »Ihr wart gestern Abend aber schnell verschwunden.« Er grinste verschwörerisch. »Das heißt aber nicht, dass Davids Bett endlich wieder warm ist, oder?«
    Ich errötete angesichts dieser recht unverblümt gestellten Frage. »Natürlich nicht!«, sagte ich streng. »Was du denkst!«
    »Nur das Beste!« Er hakte die Daumen lässig in die Schlaufen seines Gürtels. »Ich denke außerdem, dass es eine gute Idee ist, heute einen kleinen Ausflug zu machen.« Bevor er näher erläuterte, was ihm vorschwebte, wechselte er noch einmal das Thema. »Mal im Ernst: Warum seid ihr so schnell weg?«
    »Ich habe David verraten, dass ich das Buch bei Rachel gefunden und gekauft habe.«
    Falls Henry sich wunderte, warum ich das getan hatte, ließ er es sich zumindest nicht anmerken.
    »Und?«, fragte er. »Ist bei der Lektüre was rausgekommen?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Das Buch ist weg.«
    »Weg?« Ungläubig sah er mich an.
    »Weg, ja. Jemand muss es aus meinem Nachtschrank genommen haben.«
    Er kratzte sich an der Seite. »Sonderbar!« Dann zwinkerte er und damit war das Thema für ihn vom Tisch. »Weißt du, was ich mir gedacht habe? Was hältst du davon, wenn du und David heute mit mir nach Oak Bluffs kommt? Ich will ein paar Bilder an einen Laden dort verkaufen und wir könnten uns einen schönen Tag machen. Ihr müsst beide dringend mal etwas anderes sehen als diesen Kasten hier!«
    In Letzterem stimmte ich ihm unbedingt zu. »Heute ist Feiertag«, erinnerte ich ihn dennoch. »Wie kannst du da Bilder verkaufen?«
    »Oh. In Oak Bluffs gibt es keine Feiertage. Wegen der Touristen. Der Laden, in den ich will, hat sogar an Weihnachten auf. Hast du Lust?«
    »Etwas ganz Normales tun?« Ich seufzte. »Au ja!«
    Henry schien zufrieden mit dieser Reaktion. »Gut. Gehen wir nachsehen, ob David schon wach ist.«
    »So, mein Lieber! Mit deiner Rumgammelei ist jetzt Schluss!« Ohne anzuklopfen, hatte Henry Davids Zimmer geentert. David war wach. Er saß auf seiner schwarzen Ledercouch und hatte die Füße auf dem Tisch abgelegt.
    »Hoch mit dir!«, befahl Henry ihm.
    Ich stand in der Tür und beobachtete die Szene mit gemischten Gefühlen.
    David sah mich an. »Das Buch?«, fragte er.
    Ich zuckte die Achseln. »Ich habe gestern Abend noch fast eine Stunde lang danach gesucht. Und Grace sagt, sie hat es nicht weggeräumt. Tut mir leid!«
    Da nickte er. Er sah aus, als hätte er es geahnt. »Du weißt nicht zufällig noch, was sie unterstrichen hatte, oder?«
    Ich überlegte. »Es ging um Rebecca, aber so genau erinnere ich mich nicht mehr. Tut mir leid!« Zu gern hätte ich ihm etwas Tröstliches gesagt, aber ich wusste nicht, was.
    Er nickte erneut.
    Zu meiner Erleichterung war das Buch für Henry überhaupt kein Thema.
    »Hoch!«, befahl er David zum zweiten Mal.
    Langsam ließ David seinen Kopf von mir zu ihm herumschwingen. »Wie kommst du darauf, dass ich mache, was du sagst?«, fragte er mit müder Stimme. Unter seinen Augen lagen tiefe Schatten und sein Gesicht wirkte heute noch blasser als sonst. Ich hatte mit meiner Vermutung also richtiggelegen, dass er nicht gut würde schlafen können.
    Statt darauf zu antworten, fegte Henry seine Füße zu Boden. »Ich sagte: Hoch mit dir!«
    Widerwillig gehorchte David und stand auf. »Was hast du vor?«
    Henry ging zu seinem Wandschrank und nahm seine Lederjacke heraus. »Wir machen einen kleinen Ausflug!« Mit einer energischen Bewegung warf er David die Jacke zu und der musste sie auffangen, damit sie nicht zu Boden fiel.
    »Was ist, wenn ich mich weigere?« Er sprach leise, aber ich konnte hören, dass er sauer wurde. Er hatte sich wieder in dieses abweisende Verhalten gehüllt wie in eine Rüstung.
    Entschlossen steuerte ich auf ihn zu. »Dann komme ich ins Spiel!«, sagte ich möglichst leichthin. Um mich gegen seinen Widerwillen zu wappnen, verschränkte ich die Arme vor der Brust. »Henry hat mich gebeten, mit ihm zu seiner Galerie nach Oak Bluffs zu fahren, und ich hätte gern, dass du mitkommst.«
    Bestimmt ein, zwei Minuten lang fochten wir ein stummes Blickduell

Weitere Kostenlose Bücher