Herz aus Glas (German Edition)
recht! Vielleicht sollten wir ihm erklären, dass Pastell in ist.«
David wendete seinen Blick von der Straße ab und sah stattdessen mich an. Ich erschrak, denn seine Augen waren nicht nur rot, sondern sie glänzten auch sonderbar fiebrig. Sein Gesicht war blass.
»Dir ist schlecht«, murmelte ich und dachte daran, wie er an meinem ersten Tag auf der Insel gesagt hatte, ihm sei seit Charlies Tod andauernd schlecht. »Stimmt’s?«
Er nickte nur. Dann durchfuhr ihn ein heftiger Ruck. Seine Gesichtsfarbe wandelte sich von Weiß zu Grün und er stürzte nach draußen, wo er aus meinem Blickfeld verschwand.
Ich wollte ihm nachlaufen, aber Henry packte mich am Arm und hielt mich davon ab. »Er hätte es, glaube ich, nicht so gern, wenn du ihm auch noch beim Kotzen zuguckst.«
Da hatte er natürlich recht. Ich nickte und er ließ mich wieder los. »Bisher hat er sich nie übergeben«, sagte ich. »Warum ausgerechnet hier?«
Heather war gerade dabei, einige von Henrys alten Bildern, die an der Wand gegenüber dem Pastellkitsch hingen, abzunehmen und durch die neuen zu ersetzen. Henry umfing den gesamten Laden mit einer ausholenden Geste. »Charlie war oft mit ihm hier.«
Ich grub die Fingernägel in meine Handflächen, weil Wut in mir hochstieg. Sie war so stark, dass ich Henry anblaffte: »Und trotzdem schleppst du ihn mit hierher?«
Seine Augen weiteten sich ein wenig, dann runzelte er die Stirn. »Juli, wir können ihn nicht für den Rest seines Lebens in Watte packen! Er wird überall auf der Insel an Charlie erinnert werden und er muss das endlich mal überwinden.« In einer hilflos verzweifelten Geste hob er die Arme in die Luft. »Sonst springt er irgendwann doch noch mal.«
Ich unterdrückte den brennenden Wunsch, David nachzulaufen. »Deine Methoden sind nicht besonders hilfreich!«, beschwerte ich mich. »Manchmal kommt es mir so vor, als hättest du sogar Freude daran, ihn zu quälen!«
»Das darfst du nicht denken!«, keuchte Henry. Er wirkte so betroffen und verletzt, dass ich mich sofort für den Vorwurf schämte.
»Entschuldige, das war nicht fair. Ich weiß, dass du …«
Er legte eine Hand auf meine Schulter, tätschelte sie. Er wollte noch etwas sagen, aber Heather rief nach ihm und er musste sich wieder um den eigentlichen Grund kümmern, weshalb er hier war.
Während die beiden ihre Verhandlungen fortsetzten, kehrte ich zu der Schmuckvitrine zurück und starrte eine Weile lang nachdenklich hinein.
»Gefällt dir das Zeug?« Henry stand plötzlich wieder hinter mir und ich schrak zusammen. Ich war so versunken gewesen, dass ich alles andere rings um mich herum vergessen hatte.
»Schon«, gab ich zu.
Er wies auf den Armreif mit dem roten Stein. »Der ist besonders schön, oder?«
Ich nickte nur und er rief nach Heather. »Kannst du uns mal die Vitrine aufmachen?«
Sie kam mit einem Schlüsselbund, öffnete das kleine Schloss und schob die Glastür auf. Henry langte nach dem Armband und hielt es mir hin. »Leg es mal an!«
Ich zögerte. »Ich kann mir das im Leben nicht leisten, Henry!«, sagte ich.
»Leg es doch einfach mal an!«
Also gehorchte ich. Das Armband passte perfekt und an meinem Handgelenk sah es noch einmal so schön aus. Ich drehte und wendete den Arm hin und her, sodass das Licht sich in dem roten Stein brach.
»Und?«, meinte Henry.
»Schon, aber …« Ich machte Anstalten, den Armreif wieder abzustreifen.
Er hinderte mich daran und zog mit der anderen Hand seine Geldbörse aus der Hosentasche.
»Henry, das geht nicht!«, protestierte ich.
Er achtete gar nicht auf mich. Zusammen mit Heather ging er zum Ladentisch und gab ihr dort eine schwarze Kreditkarte.
»Nein, Henry!«, rief ich. »Du kannst mir das Ding nicht einfach schenken!«
Er grinste breit. »Wieso nicht?«
»Weil es viel zu teuer ist!« Ich zog den Armreif ab und legte ihn zurück in die Vitrine.
Er lachte nur. »Teuer ist relativ, Juli.« Er sah zu, wie Heather die Kreditkarte durch ihr Lesegerät zog. Während sie darauf wartete, dass die Zahlung bestätigt wurde, wandte Henry sich mir zu. »Sieh es einfach als kleine Wiedergutmachung.«
»Wiedergutmachung, wofür?« Mein Blick lag auf dem Armreif und langsam siegte die Freude über den Anstand. Das Stück war wirklich wunderschön.
»Ist doch egal!« Der Computer signalisierte mit einem dezenten Piepen, dass Henrys Konto mit dem Betrag belastet worden war. Heather zog die Karte aus dem Lesegerät und gab sie ihm zurück. Er steckte sie weg,
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