Herz dder Pflicht
berühren.“
Was sollte er dazu sagen? Seine erste Pflicht galt Lord Sidmouth und seiner Mission. Doch wie hätte er, als er zugestimmt hatte, ahnen können, dass er in Compton Place eine Frau treffen würde, die er liebte … eine anständige junge Dame, die einen Beschützer brauchte. Unter normalen Umständen hätte er es als seine erste Pflicht angesehen, ihr zu helfen.
Nur dass dies keine normalen Umstände waren. Pandora, die sich bisher so tapfer gezeigt hatte, war sichtlich am Ende ihrer Kräfte angelangt und bedurfte seiner liebevollen Fürsorge, wenn sie nicht völlig zusammenbrechen sollte. So ruhig, wie es ihm möglich war, sagte er: „Liebste, falls dieses Zerrbild eines Mannes Sie wieder belästigt, kommen Sie unverzüglich zu mir. Irgendwie werde ich eine Möglichkeit finden, Sie aus Ihrer unglücklichen Situation zu retten.“
Pandora, deren Augen in ihrem blassen Gesicht wie helle Sterne leuchteten, blickte ihn an. „Meinen Sie das wirklich, Mr. Ritchie? Dass Sie für mich alles riskieren würden?“
„Denken Sie nicht daran, mein Herz. Und noch etwas: Meine Freunde nennen mich Ritchie, und Sie sind mehr als ein Freund für mich.“
Er sank vor ihr auf ein Knie. „Pandora, schauen Sie mich an. Denken Sie an die Göttin, deren Namen Sie tragen, an die Büchse, die man ihr gab, als sie auf die Erde kam, und wie alle schönen Dinge wegflogen wie die Ihren. Aber vergessen Sie auch nicht, dass etwas in der Büchse zurückblieb, nämlich die Hoffnung. Sie ist immer da. Wenn wir getrennt sind, müssen Sie sich an Ihren getreuen Ritchie erinnern und an das, was er Ihnen versichert hat. Dass Sie ihm vertrauen können. Kommen Sie zu mir, wenn Sie Hilfe brauchen.“
Richard hatte lange geglaubt, dass Frauen entweder Gespielinnen oder Mütter für die Kinder eines Mannes waren. Er hätte sich niemals träumen lassen, eines Tages jemanden wie Pandora zu treffen, die seine andere Hälfte war und Freude in sein ernsthaftes Leben bringen würde. Der Gedanke, dass sie schlecht behandelt wurde, brachte ihn innerlich zum Rasen, und wie er beim nächsten Zusammentreffen mit Compton und Waters seine Fäuste im Zaum halten sollte, wusste er nicht. Außer dass er es musste.
Er stand auf, nahm Pandoras Hand und küsste zärtlich die Innenfläche. Als sie erschauerte, war ihm klar, dass das aus Vergnügen geschah, aber ihr beiderseitiges Vergnügen musste warten.
„Wir müssen uns jetzt trennen, bevor jemand kommt. Seien Sie guten Mutes und fürchten Sie sich nicht. Natürlich weiß ich, dass das leichter gesagt als getan ist.“
Pandoras grüne Augen wirkten mehr denn je wie Sterne. Auf ihren Wangen zeigte sich ein zartes Rot. „Ich werde mich an alles erinnern, was Sie mir gesagt haben. Nun kann ich nur hoffen, dass William mich nicht weiter verfolgt. Oh, Ritchie“, rief sie plötzlich. „Sie sind so ehrlich und aufrichtig. Warum habe ich nie zuvor jemand wie Sie kennengelernt?“
Ihr Ausbruch bewirkte, dass Richard sich mehr denn je wie ein Lump fühlte, doch das ließ sich nicht ändern. Er drückte ihre Hand und murmelte: „Seien Sie nicht traurig, Liebste, alles wird gut werden.“ Er hoffte, dass er recht behielt, konnte es aber nicht ertragen, sie so niedergeschlagen zu sehen.
„Vielen Dank“, flüsterte sie und blickte ihm nach, als er sich entfernte, mit geradem Rücken wie die Soldaten, die sie bei einem ihrer wenigen Besuche in Brighton hatte paradieren sehen. Unwillkürlich zwinkerte sie, weil er, bevor er um die Ecke ging, wieder der gebeugte Lehrer war, die Zielscheibe des Spotts von William und seinen Kumpanen.
Gab es möglicherweise zwei verschiedene Ritchies? Der eine, der sie liebevoll tröstete, und der andere, der auf jede Beleidigung unterwürfig reagierte? Falls das so war, was sollte sie davon halten? Während sie darüber nachdachte, ging sie ins Haus. Dort musste sie feststellen, dass die Gesellschaft, angeführt von William, zurückgekehrt war. Die Gäste beklagten sich, dass der Ausflug nach den Ausschweifungen der vergangenen Nacht zu anstrengend gewesen war.
Russell Hadleigh zog sich einen Stuhl heran und nahm ihr gegenüber Platz. „Sie hatten recht, Madam, als Sie beschlossen, sich nach dem nächtlichen Feiern auszuruhen“, sagte er. „Ich nehme an, dass Sie einen friedlichen und entspannten Nachmittag verbracht haben. Heute nach dem Frühstück sahen Sie ziemlich erschöpft aus, doch das ist vorbei. Rosig und blühend würde jetzt besser zu Ihnen
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