Herz dder Pflicht
Parks erreichte, wo die kleine Sommerlaube stand.
Sein Umhang und der Schal lagen unberührt in der Truhe, in der er sie versteckt hatte. Während er sich umkleidete, wuchs in ihm die Sicherheit, dass dies die Nacht sein könnte, auf die er gewartet hatte. Um zu seinem geplanten Aussichtspunkt zu gelangen, musste er den Weg verlassen und sich durch dichtes Gestrüpp schlagen, das bis zu den Klippen reichte.
Als er angekommen war, nahm er das Teleskop, das ihn schon bei seinen Streifzügen in Spanien begleitet hatte, aus dem ledernen Köcher. Er richtete es auf den Strand und blickte aufs Meer hinaus. Da er geraume Zeit überhaupt nichts entdeckte, fürchtete er bereits, er hätte sich vergeblich bemüht, doch dann kam ein Mann, gefolgt von einem zweiten, über den Sand.
Aus der Ferne hörte er laute Stimmen. Er drehte das Teleskop in Richtung Land und entdeckte zwei Kutschen auf dem Weg zur Hauptstraße. In der Nähe warteten einige Packpferde und ein Reiter.
Er drehte das Teleskop erneut und sah nun einen Kutter, der sich langsam dem Land näherte. Ein Licht leuchtete auf, offenbar ein Signal, das vom Strand aus erwidert wurde.
Weitere Männer tauchten auf dem Strand auf, von denen jeder eine Kiste trug. Dann näherte sich ein Ruderboot der Küste. Sobald es anlandete, sprangen die Ruderer heraus und begannen ihre Güter auszuladen und die herangeschafften Kisten ins Boot zu verfrachten, das gleich darauf zu dem Kutter zurückruderte. Gleichzeitig bewegte sich an einem weiter entfernten Küstenstreifen zu Richards Linken ein weiteres Boot aufs Meer hinaus.
Richard versuchte, so viele Männer wie möglich zu erkennen, konnte indes nur den Reitknecht von Henry Waters identifizieren. Er hatte die Hoffnung bereits aufgegeben, als ein Neuankömmling auftauchte und anfing, auf die anderen einzureden.
Es war Brodribb, Williams Reitknecht. Er schien aufgeregt zu sein, fuhr plötzlich herum und deutete hinauf zu den Klippen, wo Richard lag. Dieser senkte sein Teleskop und drückte sich fester gegen den Boden. Als er vorsichtig den Kopf hob, bemerkte er, dass unter den Männern am Strand anscheinend ein Streit im Gange war, in dessen Folge Brodribb ein paar der Leute zu den Klippen hinaufschickte, wo er sich versteckte. Richard schob sein Fernrohr zusammen und blickte sich um. Er wusste, dass sich nicht weit von seinem Versteck entfernt eine Grube im Boden befand, eine tiefe sandige Höhle, inmitten von Gestrüpp und Felsen. Auf Händen und Knien kroch er darauf zu und ließ sich in die Vertiefung sinken. Den hinderlichen Umhang unter sich zusammengerollt, lag er dort mit gesenktem Gesicht und dankte dem Himmel, dass der Mond inzwischen wieder hinter einer Wolke verschwunden war.
Wenig später vernahm er die Stimmen zweier sich nähernder Männer.
„Pass auf die verdammte Grube auf, Wattie“, warnte einer von ihnen. „Bart hat sich neulich nachts das Bein gebrochen, als er vor dem Dunklen Rächer flüchtete. Broddie meint, dass der Rächer heute Nacht unterwegs ist. Vor kurzem wurde er auf den Klippen gesehen. Wir sollen ihn fangen – wenn möglich lebendig.“
„Er ist also keiner von uns?“
„Nein. Niemand weiß, wer er ist. Broddie sagt, dass er sich vielleicht irgendwo in den Dünen versteckt. Es gefällt ihm gar nicht, dass dieser Unbekannte aufgetaucht ist. Besonders weil der Mann von der Zollbehörde uns berichtet, dass aus London ein Spion hergeschickt wurde, um Informationen über uns zu beschaffen.“
„Sadler?“, unterbrach ihn der andere Mann. „Gehört er inzwischen zu uns?“
„Nein, nein, der nicht“, erklärte der erste ungeduldig. „Du kennst ihn, es ist Jinkinson aus Hove. Er hat Sadler ein Stück die Küste hinaufgeschickt und ihm erzählt, dass bei Howell’s End eine Landung stattfinden würde. Vor ihm sind wir heute Nacht sicher.“
Die Stimmen wurden lauter, während die Männer auf die Grube zukamen, in der Richard unbemerkt lag. Sie umrundeten sie vorsichtig und entfernten sich auf den Klippen parallel zum Meer. Für den Fall, dass sie zurückkehren würden, wartete Richard eine Weile, bevor er sein Versteck verließ. Obwohl er annahm, dass sie einen Weg über das Land wählen würden, wollte er kein Risiko eingehen.
Als er sich sicher fühlte, nahm er sein Teleskop wieder zur Hand – gerade rechtzeitig, um zu beobachten, wie weitere zwei Boote zum Strand zurückkehrten, wo das Ausladen begann. Lederkoffer, Fässer und Kisten wurden zu den wartenden Kutschen und Pferden
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