Herz dder Pflicht
nicht erzählen dürfen. Möglicherweise will er nicht, dass etwas darüber bekannt wird. Denken Sie, dass er hinter Miss Compton her ist? Sei’s drum, da Sie mir offenbar auch nicht sagen können, was er in Compton Place treibt, lassen wir das. Vermutlich bekomme ich es aus seinem Bruder heraus, wenn ich wieder in London bin.“
Vor lauter Schwatzen hatte Ihre Ladyschaft gar nicht bemerkt, wie ruhig Roger Waters plötzlich geworden war. Nach einem unsanften Stockschlag auf die Schulter ihres Kutschers setzte sich ihr Landauer wieder in Bewegung.
Roger Waters blieb auf seinem Pferd sitzend zurück und blickte ihr nach, während er sich selbst einige dringliche Fragen stellte: War Mr. Edward Ritchie, der unterwürfige Hauslehrer, Sidmouths Spion? Hatte er herausgefunden, dass die Waters’ den Schmuggel an der Küste von Sussex organisierten? Wenn er der Spion des Innenministeriums war, wie viel oder wie wenig wusste er, und welche Schritte sollten er und sein Vater unternehmen?
Ich persönlich würde die denkbar drastischste Behandlung empfehlen, dachte Roger kalt und drückte dem Braunen die Absätze in die Flanken, um seinen Heimweg im Schritttempo fortzusetzen. Unterdessen kamen ihm weitere Fragen in den Sinn: Hatte der alte Idiot Sir John nach Ritchie geschickt? Wusste William Compton, dass sein Hauslehrer ein Agent des Innenministeriums war?
Falls ja, mussten er und sein Vater ihn ebenfalls beseitigen. Um Sir John brauchten sie sich keine Gedanken zu machen. Er war zu senil, um Schwierigkeiten zu bereiten.
Bei diesem Punkt angelangt, fühlte sich Roger einigermaßen beruhigt und kam zu dem Schluss, dass es das Beste war, zumindest für den Augenblick nichts zu unternehmen, außer bei Eintreffen der nächsten Lieferung äußerste Vorsicht walten zu lassen.
Sein Vater reagierte nicht so zurückhaltend. „Entledigen wir uns des Schnüfflers“, rief er. „Ich werde Joss befehlen, ihn aus dem Weg zu räumen. Er geht jeden Nachmittag mit dem Jungen nach draußen. Da kann ein Unfall leicht arrangiert werden.“
„Angenommen, Ritchie ist nicht Sidmouths Spion, sondern vertreibt sich hier lediglich die Zeit?“
„Na und?“, entgegnete Henry Waters. „Die Welt von einem weiteren nutzlosen Adeligen zu befreien bedeutet höchstens, ihr einen Gefallen zu erweisen. Es ist besser, kein Risiko einzugehen.“
Während Roger Waters das Schmuggelgeschäft betrieb, weil es ihnen Geld einbrachte, belieferte sein Vater, der in seiner Jugend ein Radikaler gewesen war, die Franzosen mit Goldguineas, um sie zu unterstützen. Er hoffte, dass Napoleon den Krieg gewann und in Britannien eine neue Ordnung errichtete, in der niemand aufgrund seiner niedrigeren Geburt oder seines Berufes als Kaufmann schief angesehen wurde.
Mit einem Nicken stimmte Roger der Entscheidung Henrys zu. Für gewöhnlich pflegte sein Vater das Richtige zu tun.
Richard konnte nicht ahnen, dass Henry Waters ihm nach dem Leben trachtete. Am Nachmittag des schicksalhaften Freitags schlug er Jack und Pandora vor, mit Bragg als Begleiter auszureiten – an der Küste entlang, um weitere Fossilien zu suchen. In Wirklichkeit hatte er vor, sich mit dem Gelände vertraut zu machen, damit er bei Anbruch der Nacht genau wusste, wo er sich befand.
„Geben Sie gut auf sich Acht, Sir“, warnte Bragg ihn leise, nachdem er die Pferde in den Stallhof geführt hatte. „Gehen Sie kein unnötiges Risiko ein, weder in der kommenden Nacht noch jetzt bei Tage. Ich habe heute ein ganz komisches Gefühl.“
Richard starrte ihn an. Er war am Morgen schweißgebadet aus einem Albtraum hochgeschreckt, der ihn gelegentlich plagte und in dem er sich wieder in der Hand seiner französischen Peiniger befand. Seitdem wurde er das Gefühl nicht los, dass etwas nicht in Ordnung war.
„Das ist seltsam“, erwiderte er langsam. „Mir geht es ganz ähnlich.“
„Dann sind wir schon zwei“, bemerkte Bragg.
„Ich werde vorsichtig sein“, versicherte Richard.
„Aye, das ist gut, Sir.“
Richards merkwürdige Beklommenheit verflüchtigte sich den ganzen Nachmittag nicht. Er hatte den unbestimmten Eindruck, dass jemand ihnen folgte und sie beobachtete, und bat Bragg, sich unauffällig umzuschauen. Als der Sergeant nichts entdecken konnte, befand Richard, seine innere Anspannung müsse wohl hauptsächlich darauf zurückzuführen sein, dass er William Compton nicht wirklich zutraute, die ihm zugewiesene Aufgabe verlässlich zu erfüllen.
Er gab sich Mühe, sich so normal wie
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