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Herz der Finsternis

Titel: Herz der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Conrad
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alle ›bestens verhielten, bestens‹; dann
     schöpfte er einen |39| Vierteleimer Wasser und rannte zurück. Ich sah, daß in seinem Eimer ein Loch war.
    Ich ging gemächlich hinauf. Es war keine Eile. Wißt ihr, das Ding war abgebrannt wie eine Streichholzschachtel. Das Ganze
     war hoffnungslos von Anfang an. Die Flamme war empor geschossen, hatte jeden zurückgedrängt, alles niedergebrannt – und war
     in sich zusammengefallen. Der Schuppen war nur noch ein Haufen weiß glühende Asche. In der Nähe wurde ein Nigger geschlagen.
     Man sagte, irgendwie habe er das Feuer verschuldet; wie auch immer, er kreischte fürchterlich. Ich entdeckte ihn später, tagelang
     saß er an einem schattigen Fleck, sah sehr krank aus und versuchte, sich wieder aufzurappeln. Am Ende erhob er sich und ging
     – die Wildnis nahm ihn lautlos wieder auf in ihren Schoß. Als ich aus der Dunkelheit ans Feuer kam, stand ich hinter zwei
     Männern, die sich unterhielten. Ich hörte den Namen Kurtz, dann die Worte: ›diesen bedauerlichen Unfall ausnutzen‹. Einer
     der beiden war der Manager. Ich wünschte einen guten Abend. ›Haben Sie je so etwas gesehen – eh? Es ist unglaublich‹, sagte
     er und ging davon. Der andere blieb. Er war ein Agent Erster Klasse, jung, ein Gentleman, etwas reserviert, mit einem gespaltenen
     Bärtchen und einer Hakennase. Er hielt die anderen Agenten auf Distanz, und die wiederum behaupteten, er sei der Spion des
     Managers. Was mich anging, so hatte ich noch kaum ein Wort mit ihm gewechselt. Jetzt kamen wir ins Gespräch, und allmählich
     bewegten wir uns fort von der knisternden Ruine. Schließlich lud er mich in sein Zimmer ein, das sich im Hauptgebäude der
     Station befand. Er riß ein Streichholz an, und ich bemerkte, daß dieser junge Aristokrat nicht nur ein silberbeschlagenes
     Toilettenkästchen besaß, sondern auch eine ganze Kerze für sich allein. Zu eben jener Zeit war das Recht auf Kerzen angeblich
     dem Manager allein vorbehalten. Von den Eingeborenen gefertigte Matten bedeckten die Lehmmauern; |40| eine Sammlung Trophäen von Speeren, Wurfspießen, Schilden, Messern schmückte die Wand. Die Aufgabe, mit der er betraut war,
     war die Herstellung von Ziegeln – so hatte man mir gesagt; doch auf der ganzen Station war nicht der Brösel eines Ziegels
     zu finden, und er war seit mehr als einem Jahr hier – er wartete. Anscheinend konnte er seine Ziegel ohne eine bestimmte Zutat
     nicht herstellen, ich weiß nicht welche – vielleicht Stroh. Jedenfalls war das Material hier nicht aufzutreiben, und da es
     unwahrscheinlich war, daß man es aus Europa schickte, war mir nicht klar, worauf er wartete. Vielleicht auf einen besonderen
     Schöpfungsakt. Doch sie warteten ja alle – auf irgend etwas – jeder der sechzehn oder zwanzig Pilger; und auf mein Wort, es
     schien ihnen keine allzu unangenehme Beschäftigung zu sein, so wie sie es hinnahmen, auch wenn das einzige, das ihnen je zukam,
     Krankheiten waren – soweit ich sah. Die Zeit vertrieben sie sich mit Verleumdungen und kindischen Intrigen. Es herrschte ein
     Klima der Verschwörung auf der Station, ohne jedoch etwas anzurichten, natürlich nicht. Es war genauso unwirklich wie alles
     andere – die vorgeschobene Philanthropie der ganzen Unternehmung, ihr Gerede, ihre Regierung, ihre angebliche Arbeit. Das
     einzig echte Gefühl war der Wunsch, an einen Handelsposten beordert zu werden, wo es Elfenbein gab, um Prozente zu verdienen.
     Allein deswegen betrogen und verleumdeten und haßten sie einander – aber daß je einer tatsächlich einen Finger rührte – o
     nein. Lieber Himmel! Es muß etwas daran sein in dieser Welt, daß einer ein Pferd stehlen kann, und der nächste darf nicht
     mal ein Auge auf einen Halfter werfen. Der eine stiehlt ein Pferd, ganz offen. Schön. Er hat’s getan. Vielleicht kann er reiten.
     Indessen gibt es eine Art, einen Halfter anzusehen, die schon den barmherzigsten aller Heiligen zu einer Tracht Prügel verleitet.
    Ich hatte keine Ahnung, warum er so gesellig war, doch als |41| wir plauderten, fiel mir plötzlich auf, daß der Bursche auf eine bestimmte Sache hinauswollte – er horchte mich richtiggehend
     aus. Die ganze Zeit sprach er von Europa, von Leuten, die ich dort kennen sollte – stellte Suggestivfragen zu meinen Bekannten
     in der Gräberstadt und so weiter. Seine kleinen Augen glitzerten wie Katzengold – vor Neugier   –, auch wenn er sich bemühte, einen Rest Hochnäsigkeit zu

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