Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Herz der Finsternis

Titel: Herz der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Conrad
Vom Netzwerk:
der Sorte zu schicken. Lieber bin ich allein als mit der Art von Männern, die Sie mir überlassen.’ Das war vor mehr als einem
     Jahr. Kannst du dir diese Unverschämtheit vorstellen?‹ ›Irgendwas seitdem?‹ fragte der andere heiser. ›Elfenbein‹, stieß der
     Neffe hervor, ›massenhaft – erste Güte   – Massen – äußerst ärgerlich, von ihm.‹ ›Und dazu?‹ fragte die krächzende Stimme. ›Faktura‹, war die Antwort, die sozusagen
     geschossen kam. Dann Schweigen. Sie hatten von Kurtz geredet.
    Inzwischen war ich hellwach, doch ich blieb weiter reglos, da ich vollkommen bequem da lag und keinerlei Veranlassung hatte,
     meine Position zu verändern. ›Wie kommt das Elfenbein den ganzen Weg hierher?‹ knurrte der ältere Mann, der sich mächtig zu
     ärgern schien. Der andere erklärte, es sei mit einer Kanuflotte unter dem Kommando eines englischen Mischlings gekommen, den
     Kurtz bei sich hatte; Kurtz habe anscheinend vorgehabt, selbst zurückzukehren, da die Station zu dieser Zeit ohne Waren und
     Vorräte war, aber nach dreihundert Meilen habe er sich plötzlich entschlossen umzukehren, und das tat er in einem kleinen
     Einbaum allein mit vier Paddlern, während er es dem Mischling überließ, das Elfenbein weiter flußabwärts zu bringen. Die zwei
     Kerle schienen verblüfft, daß jemand etwas Derartiges wagte. Sie konnten sich kein angemessenes Motiv dafür vorstellen. Was
     mich anging, so schien ich Kurtz zum ersten Mal vor mir zu sehen. Es war ein deutliches Bild: der Einbaum, vier paddelnde
     Wilde und der einsame weiße Mann, der plötzlich dem Hauptquartier den Rücken kehrt, der Erlösung, dem Gedanken an zu Hause,
     der sich den Tiefen der Wildnis zuwendet, seiner leeren, trostlosen Station. Ich kannte das Motiv nicht. Vielleicht war er
     einfach ein rechtschaffener Mann, der seine Arbeit um ihrer selbst willen verrichtete. Sein Name, versteht ihr, war nicht
     ein einziges Mal gefallen. Er war: ›der Mann‹. Den Mischling, der, soweit ich sah, eine schwierige Fahrt mit großer Umsicht
     und |55| Tapferkeit gemeistert hatte, nannten sie immer nur ›den Halunken‹. Der ›Halunke‹ habe berichtet, der ›Mann‹ sei sehr krank
     gewesen – habe sich noch nicht vollständig erholt   ... Die zwei unter mir schlenderten ein paar Schritte weiter, dann gingen sie in kurzer Entfernung auf und ab. Ich hörte:
     ›Militärposten   – Arzt – zweihundert Meilen – jetzt mutterseelenallein – unvermeidbare Verspätungen – neun Monate – keine Nachrichten – seltsame
     Gerüchte.‹ Als sie wieder näher kamen, sagte der Manager gerade: ›Niemand, soweit ich weiß, außer einer Art fliegender Händler–
     abscheulicher Kerl, der uns das Elfenbein von den Eingeborenen wegschnappt.‹ Über wen sprachen sie jetzt? Irgendein Mann,
     reimte ich mir aus den Brocken zusammen, der sich in Kurtz’ Distrikt aufhielt und den der Manager nicht guthieß. ›Wir sind
     erst frei von unlauterem Wettbewerb, wenn einer dieser Kerle zur Abschreckung gehängt wird‹, sagte er. ›Auf jeden Fall‹, knurrte
     der andere, ›laß ihn hängen! Warum nicht? In diesem Land ist alles – alles – möglich. Ich sag’s doch; keiner hier, verstehst
     du,
hier
, keiner kann deine Position gefährden. Und weshalb? Du verträgst das Klima – du überlebst sie alle. Die Gefahr droht in Europa,
     aber bevor ich abreiste, habe ich dafür gesorgt   ... ‹ Sie entfernten sich flüsternd, dann wurden ihre Stimmen wieder lauter. ›Diese beträchtliche Kette von Verzögerungen
     ist nicht meine Schuld. Ich habe mein möglichstes getan.‹ Der Dicke seufzte. ›Sehr traurig.‹ ›Und dann sein verpestendes,
     unsinniges Gerede‹, fuhr der andere fort, ›er hat mich genug belästigt, als er hier war. „Jede Station sollte wie ein Leuchtturm
     auf dem Weg zu besseren Verhältnissen sein, ein Handelszentrum natürlich, doch darüber hinaus ein Zentrum der Bildung, des
     Fortschritts, des Unterrichts.“ Stell dir mal vor – dieser Esel! Und er will Manager werden! Nein, das ist   ... ‹ An dieser Stelle überwältigte ihn die Empörung, und ich hob ein wenig den Kopf. Ich war überrascht, als ich sah, wie
     nah sie waren – |56| genau unter mir. Ich hätte ihnen auf den Hut spucken können. Sie starrten zu Boden, in Gedanken versunken. Der Manager wedelte
     mit einem dünnen Zweig an seinem Bein herum; sein scharfsinniger Verwandter hob den Kopf. ›Geht es dir dieses Mal gut, seit
     du hier

Weitere Kostenlose Bücher