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HERZ HINTER DORNEN

HERZ HINTER DORNEN

Titel: HERZ HINTER DORNEN Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Male Witwer. Ich wäre nicht seine Gemahlin, sondern seine Krankenpflegerin.«
    »Ein älterer Gatte ist nicht das Schlimmste, was einem Mädchen widerfahren kann«, hielt ihr die Kammerfrau mit der Überzeugung einer Matrone entgegen, die in einer Ehe das Maß aller Dinge sah. »Er plagt Euch nicht Nacht für Nacht, um einen Erben zu machen, denn er hat ja schon einen, und wenn er vor Euch das Zeitliche segnet, lässt er Euch als unabhängige Lady und Herrin eines großen Hauses zurück.«
    »Du hast wirklich den Verstand verloren«, rief Roselynne empört. »Kümmere dich lieber um die warmen Tücher und sag der Magd, dass sie genügend Feuerholz bringen soll.«
    Roselynne maß ihre rundliche Dienerin mit einem strafenden Blick, aber sie erntete nur ein unverändert freundliches Lächeln.
    »Wer ist es dann, für den Ihr Euch herausputzen wollt wie die Maikönigin?«, setzte die Ältere ihr Verhör unverdrossen fort.
    »Niemand«, entgegnete Roselynne unwirsch und schüttelte das silberblau glänzende Untergewand aus, das sie eben aus der Truhe zog. »Wie hässlich, es hat Knitterfalten!«
    »Und es ist Euch ein wenig zu eng«, wurde sie an einen Umstand erinnert, der ihr sehr wohl bekannt war. »Ihr wolltet es einer Eurer jungen Schwestern schenken und habt es deswegen zur Seite gelegt.«
    »Da täuschst du dich. Ich will es heute anziehen«, erklärte Roselynne betont gebieterisch. »Kannst du versuchen, die Falten zu entfernen? Ich werde die veilchenfarbene Tunika mit den Silberstickereien dazu tragen und keinen Schleier. Nur den silbernen Stirnreif mit dem Mondstein, den mir mein Vater im vergangenen Jahr geschenkt hat.«
    Sie wartete mit angehaltenem Atem auf weiteren Widerspruch von Maud, denn auch das Oberteil der veilchenfarbenen Tunika war reichlich knapp bemessen, und sie würde weit mehr von ihren Brüsten zeigen als gewöhnlich. Hinzu kam, dass der weiche Stoff ihre Figur betonte, statt sie zu verhüllen.
    Bisher hatte sie tiefe, höfische Ausschnitte und aufreizende Faltenwürfe den anderen Edeldamen überlassen. Schon weil sie keinen Wert darauf legte, dass man ihr den Hof machte und ihren Vater mit Anträgen belästigte, an denen ihr nichts lag. Sie war nicht auf der Suche nach einem Gemahl, und wenn sie auch geübt darin war, ihre Gründe dafür hinter zahllosen Ausreden zu verstecken, so blieb die Tatsache an sich bestehen.
    »Wer ist es, wenn es nicht Mylord Exham ist?« Maud glich einem Jagdhund, der eine Erfolg versprechende Fährte aufgenommen hatte.
    »Niemand, sag ich doch!«, schwindelte Roselynne betont unschuldig und vermied es, dem Blick ihrer Kammerfrau zu begegnen. »Ist der Badezuber bereit? Dann hilf mir mit diesen Schlaufen, wir haben keine Zeit zu vertrödeln. Ich will bereit sein, wenn die ersten Fanfaren zum Festmahl rufen.«
    Wenig später saß sie mit halb angezogenen Knien im dampfend warmen Wasser. Der raue Holzbottich war mit einem Leinenlaken ausgelegt und feiner Rosenduft beruhigte Roselynnes angespannte Nerven. Sie schloss die Augen, während Maud die zweite Magd beaufsichtigte, die ihr die langen Haare wusch. Nur das leise Plätschern des Wassers und das angestrengte Schnaufen der Dienerin, die mit den feuchten Strähnen kämpfte, durchbrachen die Stille.
    Der häusliche Friede trug das seine dazu bei, dass Roselynne ein wenig zuversichtlicher wurde. Hinter geschlossenen Lidern wagte sie endlich das Bild, das sie seit vielen Jahren in ihrem Herzen trug, gegen das des älteren, kühleren und distanzierteren Mannes zu ersetzen, in den Justin d'Amonceux sich verwandelt hatte. Trotz allem war es das Bild eines Mannes, der den Kopf verloren hatte, als sie aus einem Apfelbaum in seine Arme fiel. Ein Grund für kühnste Hoffnungen, oder etwa nicht?
    Es fiel ihr nicht auf, dass die beiden Frauen, die sich um sie bemühten, einen viel sagenden Blick miteinander tauschten. Aber ehe Maud eine neuerliche Bemerkung machen konnte, drang der scheppernde Lärm eines häuslichen Malheurs vom Flur in die stille Kemenate. Streitende Stimmen rissen Roselynne aus ihrer Versunkenheit, und sie warf einen prüfenden Blick auf die Stundenkerze am Kaminsims. Schon so spät! Sie hatte keine Zeit mehr zum Träumen.
    Sie nahm sich von der Seife und verteilte sie auf Armen und Beinen, ehe sie mit reichlich Wasser alles abspülte. Es kam ihr so vor, als wäre ihre Haut von einer völlig neuen, fremden Empfindsamkeit. Noch nie hatte sie das Gespinst der sensiblen Nerven, die jede Berührung weiter

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