HERZ HINTER DORNEN
gemacht.«
»Ich weiß die Ehre dieses Angebots wohl zu schätzen, Sire«, murmelte der normannische Ritter glatt. »Aber wäre es nicht besser, erst die Dame zu finden, ehe Ihr sie einem Manne schenkt, dessen Loyalität Ihr sicher erst genauer prüfen möchtet?«
»Haltet Ihr das für nötig?«, entgegnete der König ausdruckslos und ließ offen, ob er damit die Frage der Dame oder jene der Loyalität ansprach.
Die blauen Kristallaugen blieben klar und ungetrübt.
Sie verrieten nicht, dass sich der Verstand dahinter fragte, wie er sich am besten aus dieser Falle befreien konnte, ohne sich den Zorn des Königs zuzuziehen.
»Wer bin ich, dass ich es wage, einem König Ratschläge zu erteilen?«, entgegnete er findig und garnierte die Floskel mit einer kleinen Grimasse.
Rufus quittierte die kühne Frechheit mit einem rauen Lachen und griff wieder nach seinem Schwert. »Wir werden noch herausfinden, wer Ihr seid, Monsieur de Luthais.«
Der König gab das Zeichen, die Kämpfe wieder aufzunehmen. Das Klirren der Waffen vertiefte das Unbehagen des normannischen Ritters. Hatte er da eben eine Warnung vernommen?
Rufus entpuppte sich als wesentlich vielschichtiger, wie es die Beschreibung seines Bruders hatte vermuten lassen. Er war nicht der hirnlose >Haudrauf< mit der möglichen Vorliebe für schöne Gefährten, den der ältere Robert Kurzhose in ihm sah. Er war vielleicht barsch, direkt und undiplomatisch, aber er hatte sich mit Leib und Seele dem Erhalt des Königreiches verschrieben, das ihm sein Vater vererbt hatte. Er stellte das Wohl des Landes weit über jenes der eigenen Person.
Robert von Anjou tat das nicht. Je länger Justin d'Amonceux die Gesellschaft seines Bruders teilte, umso mehr teilte er auch die Meinung des verstorbenen Eroberers über den Charakter seiner Söhne.
11. Kapitel
»Man könnte meinen, die junge Frau habe sich in Luft aufgelöst«, beendete der Burgvogt seinen niederschmetternden Rapport und wagte nicht, die Augen von den Stiefeln des Königs zu nehmen.
Er sah nur zu gut, dass der junge Herrscher ungeduldig seinen Schwerpunkt verlagerte, und fühlte eine wahre Flut von Zorn von ihm ausgehen. Verübeln konnte er es seinem König wirklich nicht. Wann hatte es das denn schon einmal gegeben, dass eine Ehrenjungfer des königlichen Hofes schlicht und einfach verschwand?
Die adeligen jungen Damen wurden mit ihrem Ruf an den Hof geehrt und über ihre Geschlechtsgenossinnen hinausgehoben. Der König wurde zu ihrem Herrn, mehr als ihr Vater. Sie benötigten seine Genehmigung, damit sie vermählt, ausgezeichnet, verbannt oder als Pfand benutzt werden konnten. Sie gehörten zu seiner Familie, und der Monarch bestimmte über ihr Leben und ihr Schicksal. Auch wenn sie nicht immer mit allen seinen Forderungen einverstanden waren, wurde ihr Gehorsam als selbstverständlich vorausgesetzt. Im Austausch dafür schenkte er ihnen Ansehen, Sicherheit und manchmal sogar eine Mitgift.
»Das geht zu weit«, knurrte Rufus in diesem Augenblick grimmig. »Kann es wirklich nicht sein, dass sie ohne Genehmigung nach Hawkstone zurückgekehrt ist?«
»Die Torwache besteht aus Euren vertrauenswürdigsten Soldaten, Sire«, antwortete der Vogt. »Mit Ausnahme der schottischen Gesandtschaft, die bei Tagesanbruch nach Norden aufgebrochen ist, haben nur Boten und Dienstleute die Burg verlassen. Bei diesem Wetter reitet niemand zur Jagd oder geht auf eine Reise, wenn es nicht dringend erforderlich ist.«
Der König konnte dem nicht widersprechen. Wind und Regen hatten sich seit dem frühen Morgen miteinander abgewechselt, und alle Welt suchte Zuflucht hinter schützenden Mauern. Er flüchtete sich in einen derben Fluch und reagierte sich mit einem Faustschlag auf den mächtigen Tisch ab, an dessen Kante er lehnte.
»Und nun?«, fragte er gereizt in die Runde, die aus den Damen seiner Schwester und dem Kreis seiner Gefährten bestand. Ohne sich miteinander abzusprechen, hatten sich alle in der Halle eingefunden, um mit eigenen Ohren zu hören, ob ein Skandal, ein Unglück oder schlichter Ungehorsam den Unwillen des Königs erregte.
Auch der Seigneur de Luthais gehörte zu diesem Kreis. Im Gegensatz zu allen anderen hatte der Bericht des Vogts ihn jedoch auf einen Gedanken gebracht. Suchend glitt sein Blick über die blassen Ehrendamen und entdeckte die kleine, rundliche Margaret de Lacey. Sie war normalerweise ständig an Roselynnes Seite zu finden und glich nun mehr denn je einem heimatlosen braunen Sperling, der
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