HERZ HINTER DORNEN
rauschte in ihren Adern, und von fern hörte sie die Diskussion der beiden Männer, die erbittert und leise in Englisch geführt wurde. Es hatte ganz den Anschein, als wollte der Graf vermeiden, seine übrigen Männer in die Einzelheiten dieser vertrackten Brautwerbung einzuweihen.
MacDonald schien als Einziger von ihnen ebenfalls ihre Sprache zu sprechen. Roselynne bemerkte, dass er allem Anschein nach nicht mit den Machenschaften seines Anführers einverstanden war.
»Du bist närrisch«, hörte sie ihn schimpfen. »Wir haben einen Gewaltritt nach Norden vor uns. Du wirst nicht mehr viel von dem Mädchen übrig behalten, das du in dein Bett nehmen kannst. Siehst du nicht, dass sie jetzt schon am Ende ihrer Kräfte ist? Das ist keine Schottin, die tagelang reitet, kämpft und dennoch für die Ihren sorgt.«
»Ach Unsinn«, entgegnete der Graf gereizt. »Das liegt nur daran, dass ich sie ein wenig unsanft angefasst habe. Sobald sie sich wieder beruhigt hat, wird sie ihre Kräfte wieder finden ...«
Roselynne unterdrückte ein Aufschluchzen. Sie biss sich so hart in die Unterlippe, dass sie Blut schmeckte. Die Ausweglosigkeit ihrer Lage kam ihr mit jedem Atemzug mehr zu Bewusstsein. Ganz davon abgesehen war es kalt, der Regen rauschte und hinter ihren Schläfen pochte ein Kopfschmerz, der sie daran hinderte, folgerichtig zu denken.
Im Grunde wusste sie nur eines: Sie saß ausweglos in der Falle. Sie konnte nicht einmal darum beten, dass man ihr Verschwinden entdeckte und ihnen folgte. Es war für alle Beteiligten tatsächlich am besten, wenn sie einfach für immer in den Wäldern des Nordens verschwand.
»Es wäre besser gewesen, Ihr hättet mich getötet«, sagte sie mitten in die heftige Diskussion der beiden Männer hinein und verursachte damit ein erschrockenes Schweigen, in dem nur mehr das Rauschen des ständigen Regens in den Blättern zu hören war.
»Was für eine himmelschreiende Torheit!«, polterte Robert Duncan. »Du wirst die Mutter meiner Söhne. Niemand wird dir ein Haar krümmen. Du bist ein wenig durcheinander, das ist alles.«
Roselynne schwankte zwischen purer Hysterie und nachtschwarzer Trostlosigkeit. Dieses Mal richtete sie sich ein wenig langsamer auf und umschlang die angezogenen Beine mit den Armen. Zusammen gekauert legte sie die Stirn auf ihre Knie. Ihr dicker Umhang war feucht und die Strähnen, die sich aus ihren schlichten Zöpfen gelöst hatten, nass und schwer. Der Himmel weinte im Verein mit ihrem Herzen.
»Ich bin nichts«, murmelte sie, eingesponnen in die niederschmetternde Erkenntnis, dass sie so allein war wie noch nie zuvor in ihrem Leben.
»So kommen wir nicht weiter«, sagte MacDonald mit hörbarer Ungeduld. »Nimm sie vor dir auf dein Pferd und lass uns losreiten. Es drängt mich, England und seinen König hinter mir zu lassen, und wir haben ohnehin schon viel zu lange gesäumt.«
Wenig später befand sich Roselynne vor dem Grafen auf einem mächtigen Schlachtross, das in halsbrecherischer Eile über die schlammigen Wege getrieben wurde. Nur die Tatsache, dass sie eine hervorragende Reiterin war, bewahrte sie davor, bis ins Mark durchgeschüttelt zu werden. Trotzdem versank sie schon nach kurzem Ritt in eine seltsame Lethargie, die fast schon der Betäubung von zuvor glich.
Es gab nur einen hervorstechenden Unterschied. Sie hatte wieder zu denken begonnen. Hinter ihrer Stirn wirbelten die Gedanken so schwerfällig wie die Erdbrocken, die das mächtige Streitross hinter sich aufwarf. War es wirklich erst gestern gewesen, dass sie sich in verführerische Gewänder gehüllt hatte, um einen allzu eisigen Edelmann absichtlich zu verführen? Nur wenige Stunden, dass sie sich höchst willig den raffinierten Zärtlichkeiten ihres normannischen Liebsten hingegeben hatte und von ihm mit Augenblicken der unendlichsten Seligkeit dafür belohnt worden war? Mit einem Ausblick ins Paradies, das ihr jetzt für immer verschlossen bliebe?
Wie viel Zeit war vergangen, seit sie Winchester verlassen hatten? Wo befanden sie sich? Der Regen hatte zwar ein wenig nachgelassen, aber so, wie es aussah, hatten die Schotten einen Weg fern ab jeder menschlichen Ansiedlung gewählt. Abgeerntete Felder, verlassene Wiesenraine und ein grauer Himmel, über den die Wolken jagten - mehr bot ihrem Auge keinen Anhaltspunkt.
Nicht, dass sie ohnehin viel erkannt hätte. Sie war noch nie weiter als bis London gekommen, das der König in regelmäßigen Abständen mit seinem Hof besuchte. Weniger, weil
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