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Herz im Spiel

Herz im Spiel

Titel: Herz im Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sally Cheney
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Höflichkeiten austauschen und uns über alltägliche Dinge unterhalten. Was meinen Sie? Fühlen Sie sich dem gewachsen?“
    Marianne schluckte hörbar. Das würde viel schwieriger werden.
    „Miss Trenton?“, fragte Desmond. Er beugte sich vor, damit er ihr Gesicht wieder sehen konnte, und fragte ganz behutsam: „Marianne? Schaffen Sie das? Ich bitte Sie nicht, das Geschehene zu vergessen, ich bitte Sie nur, nicht wegen einer einzigen, schrecklichen Nacht in Ihrem Leben von hier fortzubleiben.“
    Als er die Episode erwähnte, zuckte sie leicht zusammen, und so unangenehm ihm die Erinnerung war, so konnte er doch sehen, dass es ihr weit schlimmer erging. Trotzdem sah er, dass ihre Augen entschlossen funkelten. Sie reckte das Kinn und nickte.
    „Ja. Sicherlich. Ich sehe ein, dass wir um des Scheins willen, zu unsrem Besten, versuchen müssen, uns so ungezwungen wie möglich zu benehmen.“
    „So schrecklich wird es schon nicht werden. Sie werden Kingsbrook lieb gewinnen, und ich schwöre feierlich, dass ich mich Ihnen gegenüber wie ein perfekter Gentleman benehmen werde. Und der Schwur eines Desmond ist absolut unwiderruflich“, endete er finster, denn er erinnertesich an den Eid seines Vaters, damals, vor vielen Jahren, als er ihn zuletzt gesehen hatte.
    Marianne wusste nichts mehr zu sagen, und Mr Desmond erging es offensichtlich nicht anders. Das Knistern des Feuers genügte nicht, um das Schweigen zu überbrücken, und nach einer Weile unbehaglicher Stille erhob Desmond sich aus dem Sessel. Auch Marianne stand auf.
    „Wollen wir unser Abkommen nicht mit einem Handschlag besiegeln, Miss Trenton?“, fragte er und streckte ihr steif den Arm entgegen.
    Marianne legte die Hand in die seine, und für Desmond fühlte sie sich an wie eine Taubenschwinge, ebenso weich und weiß und genauso zerbrechlich. Er hätte sie mühelos zerdrücken können, obwohl er bestürzt erkannte, dass er ihre Hand am liebsten an die Lippen gezogen und mit heißen Küssen bedeckt hätte, ebenso wie ihren Arm und ihre Schultern. Mit unbewegter Miene drückte er feierlich einmal ihre Hand und gab Marianne daraufhin frei.
    Obwohl die Erinnerung an Onkel Horaces Brief Marianne nicht losließ, und trotz ihres verständlichen Misstrauens gegenüber ihrem „Vormund“ gestaltete sich der Aufenthalt auf Kingsbrook nicht so schrecklich, wie sie vielleicht angenommen hatte. Mr Desmond bestand darauf, dass Mrs River jeden Abend die große Tafel für sie deckte. Daran saßen sie an entgegengesetzten Enden, und zwischen ihnen befanden sich Salzstreuer, Pfeffermühlen, Kerzenhalter, etliche Trinkgläser, Porzellan, eine ganze Sammlung glänzenden Silbers und eine breite Fläche weißen Damasts.
    Er pflegte sie zu fragen, wie es ihr gehe. „Gut“, antwortete sie stets. Er erkundigte sich, wie ihr Kotelett sei. „Es ist köstlich“, erklärte sie. Und was sie heute erlebt habe, wollte er wissen, und sie antwortete so knapp wie möglich.
    Damit war ihr Gesprächsthema so gut wie erschöpft, außer wenn Desmond eine Bemerkung über das Wetter machte, was gelegentlich vorkam, oder Marianne Jenny durch Mrs River ein schüchternes Kompliment über die Suppe oder die Vorspeise zukommen ließ, was ebenfalls ab und zu geschah.
    An diesem ersten Abend überdeckten Alices Betriebsamkeit und der Umstand, dass Mrs River ständig Teller von einem Ende des Tisches zum anderen brachte, das unbehagliche Schweigen, das zwischen Mr Desmond und seinem Mündel herrschte. An dem Abend, nachdem sie ihr Abkommen geschlossen hatten, erhielt Desmond Besuch von zwei Herren aus London, und Marianne durfte bei Mrs River in der Küche essen.
    „Verzeihen Sie, dass man Sie in die Küche verbannt hat wie ein unartiges Kind. Aber ich versichere Ihnen, dass Sie nichts verpassen, sondern sich einen entsetzlich langweiligen Abend ersparen“, meinte die Haushälterin. „Mr Desmond und seine Gäste werden während des Essens keine zwei Worte wechseln und sich unmittelbar darauf an den Spieltisch zurückziehen.“
    „Ach, ich bitte Sie, Mrs River. Sie brauchen sich doch nicht zu entschuldigen. Ich finde es sehr nett, mit Ihnen und Alice zu Abend zu essen“, erklärte Marianne herzlich.
    „Nun, wenn das so ist, dann lassen Sie sich von Jenny einen Teller guten Rindereintopf geben, und setzen Sie sich zu uns.“
    Am nächsten Abend hatte Alice sich eine schwere Erkältung zugezogen, und Jenny Rawlins verbannte sie aus Küche und Speisezimmer. Mrs River hatte sich den ganzen Tag

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