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Herz im Spiel

Herz im Spiel

Titel: Herz im Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sally Cheney
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lang um die Haushaltsbücher gekümmert. Mr Desmond hatte ihr an diesem Morgen ein dickes Bündel Geldscheine überreicht und erklärt, diesen Monat würden Mr Frederick und Mr Bartholomew die Rechnungen bezahlen. Unglücklicherweise litt Mrs River selbst unter Kopfschmerzen. Die Wirtschafterin wies Jenny an, den gedünsteten Fisch und die Rahmkartoffeln auf die Anrichte zu stellen, damit Mr Desmond und Miss Trenton sich selbst bedienen konnten.
    Vormund und Mündel beschlich ein beklommenes Gefühl, als sie von diesem Arrangement erfuhren. Das würde bedeuten, dass sie sich eine ganze Weile allein im selben Zimmer aufhalten mussten. Desmond hätte sich fast entschuldigt, doch dann sah er, wie Marianne entschlossen die Lippen zusammenpresste.
    „Es ist gut, Mrs River“, sagte er und lächelte flüchtig.
    Schweigend füllten die beiden ihre Teller. Keiner von ihnen hatte besonders viel Appetit. Doch sie mussten diese Farce trotzdem durchstehen.
    „Der Fisch ist gut“, murmelte Desmond nach etlichen Minuten.
    „Ausgezeichnet. Sehr guter Fisch“, pflichtete Marianne ihm leise bei.

    Während Desmond einfach nur wortkarg schien, waren Mariannes Gedanken von gefährlichen Erinnerungen daran erfüllt, wie sie das letzte Mal allein zusammen gegessen hatten – dem ersten Mal. Damals hatten sie sich lebhaft unterhalten, und Desmond und seine Erzählungen hatten sie wirklich fasziniert. Er hatte sie zum Lachen gebracht. Charmant war er gewesen, wenn auch gewiss voll finsterer Hintergedanken.
    Marianne blickte auf und betrachtete Desmond, der am anderen Ende des Tisches saß. Er hatte den Kopf gesenkt und widmete sich dem Essen auf seinem Teller anscheinend mit außerordentlicher Konzentration. Jetzt erschien er ihr nicht gefährlich. Als sie ihn beobachtete, erkannte sie, dass er nicht einfach schweigsam war, sondern sich bei diesem intimen Essen ebenso unbehaglich fühlte wie sie. Die Andeutung eines Lächelns huschte über ihr Gesicht. Hätte sie es bemerkt, wäre sie verwundert, nein entsetzt gewesen.
    „Haben Sie sich gestern beim Abendessen mit Ihren Freunden gut unterhalten?“, fragte sie.
    Desmond blickte scharf auf. Die Frage an sich war nicht besonders erstaunlich. Verblüffend jedoch war, dass Marianne sie ihm in einem ganz normalen Konversationston stellte. „Ja“, antwortete er und runzelte verwirrt die Stirn.
    „Sie freuen sich sicher sehr, wenn Freunde Sie hier auf Kingsbrook besuchen kommen.“
    „Manchmal“, erwiderte Desmond. Dann lächelte er verhalten. „Gestern Abend jedenfalls schon.“
    „Außerdem haben Sie ja auch noch Ihre Nachbarn in Kingsbrook. Ich kann mir vorstellen, dass Sie, wohin Sie auch kommen, von Freunden umgeben sind“, bemerkte sie.
    „Nun, um die Wahrheit zu sagen, kenne ich meine Nachbarn gar nicht“, gestand Desmond. Marianne hatte ihn überrumpelt, und in seinem Bekenntnis klang mehr Bedauern durch, als er hatte zeigen wollen.
    „Überhaupt nicht?“, fragte sie verblüfft.
    „Ich habe mich noch nie längere Zeit auf Kingsbrook aufgehalten … vorher“, erklärte er.
    „Aber Sie sind doch immer hier“, meinte sie.
    „Ja jetzt schon. Aber früher war das nicht so. Außerdem hatte ich keine Gelegenheit, mich mit ihnen bekannt zu machen.“
    Marianne betrachtete ihn ernst. „Dann müssen Sie die Gelegenheit schaffen, Mr Desmond“, erklärte sie ihm. „Ihre Nachbarn können Sie nicht von sich aus aufsuchen. Als reichster Landbesitzer der Gegend müssen Sie den ersten Schritt tun. Bestimmt geben Sie irgendeine Weihnachtsgesellschaft für Ihre Nachbarn?“
    „Ich kann mich eigentlich nicht erinnern, jemals zu Weihnachten auf Kingsbrook gewesen zu sein“, gestand er. Für gewöhnlich reiste er dann auf den Kontinent, wo um diese Zeit in bestimmten Städten die Spieler zusammenkamen und um hohe Einsätze pokerten. Seit zwei oder drei Jahren hatte der unglaublich reiche Graf Anistopholes den Weihnachtsmann gespielt, indem er genug Geld verloren hatte, um Kingsbrook bis zum Frühjahr zu unterhalten.
    „Tja, dieses Jahr sind Sie aber hier“, meinte Marianne, womit sie eine unbestreitbare Tatsache feststellte.
    „Ja“, gab Desmond seufzend zu, „dieses Jahr bin ich hier.“
    „Dann müssen Sie Ihre Nachbarn einladen“, erklärte sie entschieden, griff zu ihrer Gabel und spießte zerstreut eine Kartoffelscheibe auf. „Mrs River und ich können eine Weihnachtsfeier vorbereiten – klein, inoffiziell, ungezwungen und freundschaftlich, der angemessene Hintergrund,

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