Herz im Spiel
gekommen, vor Weihnachten, wenn Desmond sich recht erinnerte. Mit einem unterdrückten Ausruf des Widerwillens hatte er ihn beiseitegeschoben. Er war in dem Glauben gewesen, ihn fortgeworfen zu haben, und war überrascht, ihn immer noch in seinem Stapel unerledigter Korrespondenz zu finden, als er vor ungefähr einem Monat darauf gestoßen war. Diesmal hatte er ihn wirklich weggeworfen. Aber nachdem er ihn zum ersten Mal gelesen und sich seiner sogar schließlich entledigt hatte, hatte er geglaubt, der Brief stelle bloß die schmutzigen, lächerlichen Fantasien eines abartigen alten Mannes dar. Aber selbst wenn das alles war, wollte Desmond das Mädchen vor Carstairs’ ekelhaften Klauen bewahren.
„In seinem Brief schreibt er nichts davon, warum er so lange gewartet hat, um seinen Widerspruch vorzubringen“, erklärte Mr Bradley ihm. „Wenn ich mich recht erinnere, wurde diese Angelegenheit vor fast einem Jahr abgeschlossen. Falls Mr Carstairs Vorbehalte hegte, hätte er sie damals äußern sollen.“
„Dann hat er zu lange gezögert? Er kann jetzt nichts mehr unternehmen?“, fragte Desmond hoffnungsvoll.
„Das habe ich nicht behauptet, Mr Desmond. Wie Sie sich bestimmt erinnern, habe ich diese Dokumente auf Ihr Betreiben hin ziemlich hastig aufgesetzt“, meinte der Anwalt. „Bei anderer Gelegenheit hätte ich vielleicht eingehendere Recherchen über die junge Dame und ihre familiären Verbindungen durchgeführt.“
„Und wenn ich jetzt solche Nachforschungen anstellen wollte?“, fragte Desmond.
„Unsere Firma steht in geschäftlicher Verbindung zu …“ Mr Bradley durchblätterte die Seiten eines kleinen Adressbuchs, das auf seinem Schreibtisch lag, „… Cranston und Dweeve, Privatdetektive.“
Dies erklärte Desmonds ersten Besuch in deren Kanzlei. Heute war er zum zweiten Mal hier.
„Was haben Sie herausbekommen?“, sprach er weiter.
„Sie meinen über das Mädchen. Miss …“ Cranston hielt inne und versuchte, sich an den Namen zu erinnern. Mr Dweeve beugte sich nach vorn, murmelte leise etwas, und Cranston nickte. „Ach ja, Trenton.“ Nicht zum ersten Mal kam Desmond der Gedanke, dass Cranston und Dweeve funktionierten wie eine gut geölte Maschine, deren Zahnrädchen perfekt ineinandergriffen. „Marianne Trenton, ja. Nun gut. Sie ist oder war jedenfalls das Mündel von Mr Horace Carstairs und wurde vor …“ Er lehnte sich nach hinten, um die Worte seines Partners zu verstehen, „… etwa zwei Jahre nach dem Tod der Eltern in seine Obhut gegeben.“
„Ja, aber was ist nun mit Carstairs? Ist er ein Blutsverwandter des Mädchens? Kann er einen Rechtsanspruch auf sie geltend machen?“
„Und nun zu Carstairs.“ Cranston warf Dweeve, dessen ausdruckslosen Blick Desmond nicht deuten konnte, einen Blick über die Schulter zu. „Wir haben zwar nicht feststellen können, wie genau Mr Carstairs Verbindung zu Miss Trenton aussieht, aber wir haben einige sehr interessante Dinge über Mr Carstairs selbst herausgefunden.“
„Ach, tatsächlich?“, fragte Desmond. Seine Neugierde war geweckt.
Mr Dweeve beugte sich nach vorn und reichte seinem Partner über dessen Schulter ein kleines Notizbuch.
„Sie haben uns beauftragt, Nachforschungen über einen gewissen Horace Carstairs, Geldverleiher, anzustellen. Der Mr Carstairs, den wir durchleuchtet haben, ist noch in andere, weit weniger ersprießliche Geschäfte verwickelt.“
„Und das wären?“, hakte Desmond nach.
„Opium- und Alkoholschiebereien, Hehlerei. Er verfügt über Verbindungen zum asiatischen Elfenbeinmarkt und zum afrikanischen Sklavenhandel. Carstairs kann Sie sogar mit einem gedungenen Mörder zusammenbringen – irgendeinem Halunken, der einem Menschen für ein paar Münzen ein Messer in den Rücken stoßen würde. Kurz gesagt, Mr Carstairs ist ein skrupelloser Mann.“
Während dieser Auflistung von Carstairs’ illegalen Geschäften hatten sich tiefe Falten auf Desmonds Stirn gebildet, aber jetzt blickte er mit einem Mal entsetzt drein. „Was ist mit Prostitution?“, wollte er wissen.
„Sie meinen, ob Horace Carstairs in solche Geschäfte verwickelt ist?“ Cranston blätterte einige Seiten in seinem Notizbuch um. „Dies scheint eine Branche zu sein, in die er erst vor Kurzem eingestiegen ist.“
Desmond lehnte sich voller Sorge zurück. „Ich habe nichts auf seine Andeutungen gegeben. Aber jetzt sagen Sie mir, dass er durchaus über die zwielichtigen Verbindungen verfügt, um solche Intrigen zu
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