Herz im Spiel
Bauerntölpel heiraten, der sich abstrampeln muss, um Mr Lears Reime zu verstehen“, erwiderte der junge Mann jetzt schon wieder niedergeschlagen.
„Sie ist klug, aber sie wird Sie heiraten, und Sie müssen sie heute fragen.“
Peter Desmond saß hinter seinem Schreibtisch. Sein Büro war kalt und leer und bis auf die Lampe, deren Schein die Tischplatte beleuchtete, dunkel.
Er beglückwünschte sich selbst, weil sich sein Plan so gut entwickelte. Jedenfalls versuchte er es. Marianne und der junge Brewster waren inzwischen praktisch unzertrennlich. Die Weihnachtsferien rückten näher, und dann würden sich die beiden öffentlich erklären. Das nahm Desmond zumindest an. Jedes Mal, wenn der junge Brewster in seine Vorlesung kam, richteteDesmond sich innerlich darauf ein, dass der ihn beiseite nehmen und es ihm mitteilen würde. Doch die Tage vergingen, und Brewster trat nicht an ihn heran. Marianne begrüßte Desmond allmorgendlich frisch und fröhlich, und das Ganze trieb ihn fast zum Wahnsinn.
Desmond fuhr sich mit der Hand über die Stirn und stellte bestürzt fest, dass seine Finger zitterten. Er hatte sich in der Vergangenheit so gut zusammengenommen, dass er, wenn er Marianne nicht sah, nicht an sie dachte – meistens jedenfalls. Selbst während ihrer gemeinsamen Aufenthalte auf Kingsbrook hatte er sich eingeredet, ihre Beziehung habe sich auf einer platonischen Ebene eingependelt, die für keinen von ihnen eine Bedrohung darstellte. Aber sie hier in Reading jeden Tag in seiner Vorlesung zu sehen, wo ihr Anblick ihm den Atem raubte, sobald sie durch die Tür trat, wo ihr Lächeln, der Klang ihrer Stimme ihn bezauberten, der leichte Druck ihrer Hand auf seinem Arm, ihr zarter Duft seine Sinne betörten, Sehnsüchte weckten, die er längst vergessen geglaubt hatte, das war mehr, als er ertragen konnte.
„Mr Desmond?“
Erschrocken nahm er die Hand vom Gesicht und sah Marianne direkt vor sich stehen. Im Halbdunkel erschien ihm ihre Gestalt verschwommen wie ein Trugbild in der Wüste. „Marianne?“
„Oh, ich hoffe, Sie seien nicht eingeschlafen“, sagte sie lachend. Sie bemerkte seine Verwirrung, ahnte aber nicht den Grund.
„Natürlich nicht. Ich habe nur ein paar Arbeiten korrigiert. Wie spät ist es?“
„Ziemlich spät, beinahe sieben Uhr. Ich habe in der Bibliothek auf Sie gewartet“, sagte sie.
„In der Bibliothek?“, entgegnete Desmond. „An einem so kalten Abend? Und wo ist Brewster, dieser Tölpel? Er hätte Sie schon vor einer Stunde nach Hause bringen sollen.“
„Bernie hatte etwas Wichtiges zu erledigen. Da habe ich ihm gesagt, er brauche sich keine Sorgen um mich zu machen. Mr Desmond würde mich schon zu Mrs Simmons begleiten.“
„Also, ich finde , er hätte sich Sorgen um Sie machen sollen“, knurrte Desmond und stand auf. „Vielleicht sollte ich einmal mit unserem Freund reden und ihn an seine Verantwortung erinnern.“ Er drehte den Docht der Lampe herunter, und der Raum versank in völliger Finsternis.
„Welche Verantwortung?“, fragte Marianne und griff im Dunkeln nach seinem Arm. Desmond erschauerte leicht unter ihrer Berührung. „Er ist nicht mein Kindermädchen. Kommen Sie jetzt. Ich bin müde und friere, und Sie sind hungrig. Ich weiß das, denn Sie werden immer brummig wie ein Bär, wenn Sie nichts zu essen bekommen.“
Desmond knurrte Unheil verheißend, und Marianne lachte. Zusammen verließen sie den alten Backsteinbau.
„Wo möchten Sie essen?“, fragte er. „Im Treemore?“
Marianne schüttelte den Kopf. „Irgendwo, wo es ruhiger ist. Ich bin heute Abend … nicht in der Stimmung.“
„Das kann ich gut verstehen“, meinte Desmond und nickte. Auch ihm war schon der Gedanke an das helle Licht und das Gelächter in der lauten Taverne unangenehm gewesen. Ihm und Marianne würden nicht mehr viele ruhige Stunden vergönnt sein. „Würde es Ihnen viel ausmachen, einen Tag altes Brot, kaltes Fleisch und Käse zu speisen? Allzu viel steht nicht auf der Karte, aber dafür ist es dort ruhig und warm.“
„Klingt genau richtig. Was ist das für ein geheimnisvolles Fleckchen, das Sie bis jetzt für sich behalten haben?“
„Meine Wohnung. Ich habe mir einen bescheidenen Lebensmittelvorrat für Abende wie diesen angelegt, wenn mich mein Alter plötzlich einholt und ich mich ganz und gar nicht mehr wie ein Student fühle“, erklärte er.
„Und wie ist das mit Ihrer Wohnung? Lässt die Vermieterin mich ein, oder ist sie wie Mrs Simmons, und Sie
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