Herz im Spiel
jungen Mann kennengelernt hatte, ließ ihn sogar ins Haus, um Miss Trenton dort eine gute Nacht zu wünschen.
Als die Wochen verstrichen, fand Desmond immer häufiger einen Vorwand, um Marianne undBrewster allein zu lassen. „Gehen Sie nur. Ich habe noch Klausuren durchzusehen. Hier, Brewster, mein Junge, stecken Sie das ein. Führen Sie Miss Trenton in der Stadt aus“, sagte er und gab dem jungen Mann, der aus einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie stammte und für gewöhnlich mehr Geld in der Tasche hatte als sein Lehrer, eine Einpfundnote.
Er komplimentierte Marianne und Brewster zu Theateraufführungen, zu Lesungen, offiziellen Essen und ungezwungenen Studentenabenden. Mr Desmond war meistens angeblich zu beschäftigt oder zu müde, um sie zu begleiten.
Also beugte Marianne sich dem Unvermeidlichen und erlaubte ihrem Vormund, aus ihr und Mr Brewster ein Paar zu machen. Sie hoffte, dass Desmond Freude daran hatte, und sie wusste, dass sie nicht wirklich in Gefahr schwebte, zu einer Heirat genötigt zu werden. Jedenfalls nicht durch Bernie.
Mr Bernard Brewster, so schien es, hatte die Liebe ohne die Unterstützung seines Professors gefunden, und zwar in Gestalt der entzückenden, bebrillten Miss Rachel Tamberlay.
13. KAPITEL
Desmond hielt sein Verhalten für ebenso scharfsinnig wie edel, aber Marianne musste verstohlen lächeln über den klagenden Unterton in seiner Stimme und seine wehmütige Miene, wenn er von ihr und Brewster Abschied nahm. Das Ganze war wirklich sehr rührend, und Marianne hätte sich unter anderen Umständen vielleicht größere Mühe gegeben, ihren Vormund zum Mitkommen zu bewegen. Doch inzwischen hatten sie und Mr Brewster gewisse Heimlichkeiten.
Bernie glaubte wirklich, er sei äußerst diskret, aber Marianne war gerade zweimal mit ihm ausgegangen, als ihr auffiel, wie häufig er von ihrer Kommilitonin, Rachel Tamberlay, sprach, schmeichelhafte Bemerkungen abgab und Fragen nach ihr stellte.
„Miss Tamberlay ist eine charmante junge Dame, meinen Sie nicht auch, Miss Trenton?“, hatte er gefragt, nachdem Desmond die beiden das erste Mal allein gelassen hatte.
„Rachel Tamberlay? Ja, doch, sie ist ganz bezaubernd. Ein bisschen schüchtern vielleicht.“
„Das trägt nur noch zu ihrem Charme bei“, hatte Bernie gemeint und im letzten Augenblick einen Seufzer unterdrückt.
Bei ihren folgenden Treffen erfuhr Marianne, dass Brewster sich nichts Liebreizenderes vorstellen konnte als Miss Tamberlays blassblaue Augen, die hinter ihren Brillengläsern unnatürlich groß wirkten. Ihre Art zu sprechen erschien ihm wie der Gesang einer Nachtigall, was Marianne, die sich nicht erinnern konnte, von Miss Tamberlay je etwas Lauteres als ein Flüstern vernommen zu haben, interessant fand. Aber für Bernie Brewster repräsentierte Miss Tamberlay alles, was schön, kultiviert und anbetungswürdig war.
Als Brewster schließlich argwöhnte, Miss Trenton sei seinem Geheimnis auf die Spur gekommen, gestand er, er habe Miss Tamberlay gewisse Avancen gemacht, zum Beispiel ihr zugenickt oder sogar ein Lächeln riskiert, als ihre Blicke sich trafen.
„Was ich brauche, ist ein Freund, wenn Sie verstehen, was ich meine“, erklärte er Marianne Mitte Oktober, als Mr Desmond nicht einmal mehr so tat, als begleite er die beiden. „Einen Verbündeten, jemand der mir hilft.“
„Soll ich denn einmal mit Miss Tamberlay sprechen?“, fragte Marianne endlich, und Brewsters erleichtertes Lächeln reichte ihr zur Antwort.
Ende Oktober hatte sie sein erstes Briefchen überbracht. Marianne, die strenge Prinzipien besaß, hatte keinen Blick auf sein Schreiben geworfen, aber Rachel Tamberlay errötete auf reizende Weise, als sie die wenigen Zeilen las, und Marianne war sicher, dass sie wunderschöne Komplimente enthielten, an die nur Bernie Brewster glaubte.
Sie konnte ihm nur berichten, dass Miss Tamberlay anscheinend erfreut gewesen sei, denn die junge Dame schickte keine Antwort. Doch im Lauf der nächsten paar Wochen trug Marianne Briefe zwischen ihnen hin und her, und schließlich schickte Mr Brewster ein silbernes Medaillon, und Miss Tamberlay sandte dem jungen Gentleman ein Stück Seife, was Marianne für ein seltsames, wenig schmeichelhaftes Geschenk hielt.
Im November wurde Marianne neunzehn. Obwohl sie jünger als Bernie und Rachel war, fühlte sie sich wie Bruder Lawrence, jener Verschwörer bei Shakespeare, wenn sie die heimliche Romanze der beiden unterstützte. Brewster konnte stundenlang von
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