Herz im Spiel
Miss Tamberlay und ihren zahlreichen bewunderungswürdigen Eigenschaften schwärmen und tat das auch. Rachel war weit zurückhaltender, doch die Art, wie sie seufzte, lächelte und errötete, verriet, dass ihre Gefühle sogar noch tiefer gingen.
„Wirklich, Miss Trenton, ich weiß nicht, was ich tun soll, wenn Miss Tamberlay nach Weihnachten nicht an die Universität zurückkehrt. Sie glauben doch nicht, dass diese Gefahr besteht, oder?“
Bernie und Marianne saßen an einem kleinen Tisch in einer der beliebten Studententavernen. Tatsächlich war es dasselbe Gasthaus, in das Mr Desmond sie nach ihrem ersten grässlichen Studientag geführt hatte, sogar derselbe Tisch. Heute Abend war es mindestens ebenso voll und laut. Um sich verständlich zu machen, musste der junge Brewster sich über seinen Teller mit Corned Beef und Kohl beugen, wobei seine Krawatte fast in seinen Krug mit dunklem Bier eintauchte.
„Ich glaube, dass Miss Tamberlay sich hier an der Hochschule nicht besonders wohl fühlt, aber sie würde auch ungern ihre Ausbildung abbrechen. Sie ist ein sehr aufgewecktes Mädchen,verstehen Sie“, meinte Marianne ernst.
„Aufgeweckt? Beim Himmel, die junge Dame ist ein Stern am Himmel! Sie ist die Sonne!“, rief Brewster hingerissen.
„Ich meine, dass sie intelligent ist“, erklärte Marianne.
Das ernüchterte Brewster augenblicklich, und er trank einen Schluck aus seinem Bierkrug. „Ich weiß“, sagte er, offenkundig aus höchster Verzückung in tiefste Verzweiflung gestürzt. „Sie ist viel klüger als ich. So dumm bin ich auch wieder nicht, dass ich das nicht erkenne. Hat sie Ihnen schon gesagt, dass sie mit einem Narren wie mir nichts zu tun haben will?“
„Ach, Mr Brewster, Sie reden Unsinn“, sagte Marianne lachend.
„Ich bin verliebt“, erklärte der junge Mann schwärmerisch.
„Eben. Jetzt hören Sie gut zu, und werden Sie nicht wieder sentimental, ehe ich fertig bin. Sie haben gefragt, ob Rachel Tamberlay wohl nach Weihnachten die Universität verlassen wird. Meine Antwort war, dass sie einerseits sehr schüchtern ist, auf der anderen Seite aber die Gelegenheit, etwas zu lernen, genießt. Nun will ich Ihnen noch etwas anderes sagen. Wenn dies die beiden einzigen Gesichtspunkte wären, dann glaube ich, Miss Tamberlay würde unserer lauschigen kleinen Universität erleichtert den Rücken kehren. Aber wie Sie wissen, existiert da noch ein weiterer Anziehungspunkt, der sie in Reading hält, der sie dazu bringt, weiter die Vorlesungen zu besuchen.“
„Sie meinen mich?“, vergewisserte Brewster sich glücklich.
„Ja, ich meine Sie“, bekräftigte Marianne.
Sie hatten die erste Dezemberwoche. Bis zu den Weihnachtsferien waren es nur noch drei Wochen, und die Frage, ob Miss Tamberlay zurückkehren würde, trieb Brewster inzwischen fast zum Wahnsinn.
„Warum fragen Sie sie nicht einfach?“, verlangte Marianne jetzt zu wissen.
„Ob sie zurückkommt?“, meinte Brewster.
„Ob sie Ihretwegen zurückkommt“, verbesserte Marianne ihn. „Nehmen Sie Ihren Mut zusammen, und sagen Sie ihr, was Sie fühlen. Und wenn Sie immer noch nicht wissen, dass sie dasselbe für Sie empfindet, sind Sie wirklich ein dummer Bursche.“
Bernie runzelte zuerst skeptisch die Stirn, dann glitt ein Strahlen über sein Gesicht.
Marianne langte über den Tisch und drückte seine Hand. „Ich finde, Sie sollten sie bitten, Sie zu heiraten“, sagte sie mit leiser, aufrichtiger Stimme.
„Heiraten?“, stieß er hervor.
Sie nickte feierlich.
„Ich könnte niemals … meinen Sie wirklich? Oh nein“, stammelte er.
„Fragen Sie sie“, drängte Marianne.
Bernie schaute ihr in die Augen, und sie sah, wie er einen verzweifelten Entschluss fasste. Mit einem Mal schlug er mit der Faust so kräftig auf den Tisch, dass die Teller und Bestecke klapperten und sich selbst im Lärm des „Treemore“ alle Blicke auf ihn richteten.
„Ja, ja!“, schrie er, „ich werde es tun! Sie sind fantastisch, Miss Trenton, aber es kommt eine Zeit, da muss ein Mann für sich selbst einstehen. Bis nächste Woche also.“
„Heute. Nach Mr Rogers Chemieseminar“, sagte Marianne bestimmt.
„Ich habe Chemie doch gar nicht belegt“, widersprach Brewster atemlos. Miss Trenton geht ziemlich impulsiv an die Sache heran, fand er.
„Miss Tamberlay schon“, erklärte Marianne.
„Da haben wir’s. Verstehen Sie jetzt, was ich meine? Ein Mädchen, das klug genug ist, Chemie zu studieren, würde doch nie einen
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