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Herz im Spiel

Herz im Spiel

Titel: Herz im Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sally Cheney
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dir nach unten“, verkündete er.
    Marianne und Rachel hatten noch Zeit aufzustehen, ihre Röcke zu raffen und auf Zehenspitzen die restlichen Stufen hinunterzuschleichen, wobei sie auf ihrer Flucht vor dem Mann und dem Burschen nur ein leises Rascheln erzeugten. Sie duckten sich unter die Treppe, während die beiden aus der Wohnung im ersten Stock nach unten gingen.
    An der lose in den Angeln hängenden Tür hielt Carstairs den Jungen auf. „Der Brief muss noch heute Abend abgehen, Bursche. Vergiss das nicht“, knurrte er.
    „Heute Abend“, wiederholte Tom. Carstairs wartete darauf, dass er ging, daher hatte er wirklich keine Wahl, aber er blickte ein letzes Mal über dessen Schulter in das halbdunkle Gebäude, ehe er aufbrach. Die jungen Damen waren nirgendwo zu entdecken, daher nahm er an, dass sie entkommen waren. Zugegeben, er sorgte sich um das Pfund, das man ihm versprochen und das er nie erhalten hatte, doch er hoffte auch erstaunlich aufrichtig, dass die jungen Damen unbehelligt davongekommen sein mochten.
    Carstairs blieb noch eine Weile an der Tür stehen, um sich zu überzeugen, dass der Junge fort war. Dann kehrte er ins Haus zurück. Die beiden jungen Damen rechneten damit, er werde die Stufen hinaufgehen, doch er kam um die Treppe herum und steuerte direkt auf ihr Versteck zu. Wo sie standen, war es so stockfinster, dass er sie unmöglich entdecken konnte. Eng an die Wand gekauert, warf Marianne dennoch ängstlich einen Blick nach unten, um sich zu vergewissern, dass keine Schuhspitze und kein heller Rand eines Unterrockes zu sehen war.
    Im Finstern tat Carstairs noch zwei Schritte auf sie zu, bevor er plötzlich stehen blieb. Er murmelte einen Fluch und drehte sich um, aber er ging immer noch nicht nach oben, sondern betrat einen Raum, der auf der anderen Seite des Treppenhauses lag.
    Die beiden jungen Damen wagten nicht, durch die Vordertür zu verschwinden, solange Carstairs sich hier unten aufhielt, und ebenso wenig konnten sie wieder die Treppe hinaufgehen. Aber Marianne argwöhnte, wenn sie blieben, wo sie waren, würden sie entdeckt. Sie suchte panisch nach einem Ausweg, doch da tippte Rachel ihr auf die Schulter. Marianne blickte sich um. Da ihre Augen sich inzwischen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah sie, dass sich hinter Rachel eine Öffnung befand.
    „Die Tür ist offen?“, flüsterte sie verblüfft. Sie kannte natürlich die Tür unter der Treppe, aber in den zwei Jahren, die sie in diesem Haus gewohnt hatte, war sie immer fest verschlossen gewesen.
    Rachel erwiderte leise: „Ich glaube, dort geht es in den Keller.“
    Wo immer die Tür hinführen mochte, sie schlüpften eilig hindurch und entdeckten eine weitere Treppe, die nach unten führte. Rachel tastete an der Wand nach einem Geländer. Erleichtert umfasste sie das runde Holz und trat auf die erste Stufe, während Marianne hinter ihnen die Tür zuzog. Rachel keuchte auf und erstarrte, obwohl es auf der Kellertreppe nicht mehr viel dunkler werden konnte.
    „Damit Onkel Horace nichts bemerkt“, wisperte Marianne ihr ins Ohr.
    Rachel nickte, und als ihre Beine sie wieder trugen, ging sie weiter. Sie hatten einige Schritte getan, als Rachel plötzlich auf einem ebenen Untergrund, mit dem sie nicht gerechnet hatte,strauchelte. Es dauerte einen Moment, bis sie begriff, was diese ausgedehnte, glatte Fläche zu bedeuten hatte, doch schließlich kam sie darauf. „Ein Treppenabsatz“, flüsterte sie über die Schulter. „Die Stufen gehen noch weiter …“
    Plötzlich hielt sie inne, denn über ihnen wurde geräuschvoll die Tür geöffnet. Marianne blickte nach oben und erkannte Onkel Horaces Gestalt. Sie schlang den Arm um Rachels Hüfte und zog das Mädchen an die feuchte Kellerwand.
    Sie spürten den Luftzug, sobald Carstairs den Absatz erreichte, und als er an ihnen vorbei die nächsten Stufen hinunterstieg, sah Marianne, dass er etwas in der Hand trug. Er hatte wohl etwas vergessen und war in das andere Zimmer gegangen, um es zu holen.
    Zum Glück, dachte sie, war es keine Kerze gewesen.
    Aber Carstairs war wie eine dieser schmalgesichtigen, spitznasigen Fledermäuse mit roten Augen, die an finsteren Orten wie diesem von der Decke hingen – er war im Finsteren wie zu Hause, vertraut mit dieser Umgebung und fühlte sich am wohlsten, wenn man ihn nicht sah.
    Sie hörten, wie er den Fuß der Treppe erreichte, und dann ein Knarren. Carstairs entriegelte eine Tür auf und öffnete sie.
    Die Tür fiel zu, und Marianne zupfte

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