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Herz im Spiel

Herz im Spiel

Titel: Herz im Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sally Cheney
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an Rachels Ärmel. Beinahe vergnügt folgte ihr die Freundin. Inzwischen war sie fast bereit, sich bis ins Höllenfeuer zu wagen, wenn sie nur nicht voranzugehen brauchte.
    Viel schneller als zuvor eilte Marianne jetzt die verbliebenen Stufen hinunter. Unten angekommen, lehnte Rachel sich an Mariannes Schulter, und diese legte das Ohr an die Tür. Sie war nicht sicher, was sie zu hören erwartete, aber sie hatte keine Lust, die Tür aufzureißen und Carstairs zu erblicken. Marianne war überzeugt, seine Augen würden sogar im Dunkeln scharlachrot glitzern.
    Doch sie hatte nicht damit gerechnet, Stimmen zu hören, und zwar von mehr als einem Menschen. Sie riskierte es, die Tür ein wenig zu öffnen und durch den Spalt zu spähen.
    Dahinter schien ein weitläufiges Gewölbe zu liegen, das weder Räume noch Türen aufwies, aber durch Stützbalken und Trennwände unterteilt wurde. Sie sah weder Carstairs noch die Person, mit der er sprach, aber in etwa fünfzig Fuß Entfernung war ein schwacher Lichtschein, wahrscheinlich von einer einzigen Kerze, zu erkennen.
    Marianne öffnete die Tür gerade weit genug, um sich hindurchzuschieben, und fühlte, dass Rachel ihr auf dem Fuß folgte. Sie schlängelten sich durch die Schatten und schlichen immer weiter an das Licht und die Personen heran. Endlich waren sie nahe genug, um die Worte zu unterscheiden. Hinter einer der Trennwände verborgen, erstarrten sie vor Schreck.
    „Das reicht. Immer mit der Ruhe. Hier ist auch ein Stück Brot. Ich schätze, ich muss Sie wenigstens so lange am Leben halten, bis ich Nachricht von Ihrem Vater bekomme“, sagte Carstairs und stieß sein widerwärtiges Lachen aus.
    „Was ist mit meinem Freund?“, fragte jemand, und Marianne unterdrückte einen entsetzten Aufschrei. Die Stimme klang gebrochen und heiser, schmerzerfüllt und unaussprechlich müde, doch sie erkannte sie. Der Sprecher war Mr Desmond.
    „Der ist unwichtig“, antwortete Carstairs. „Für ihn ist es wahrscheinlich sowieso zu spät.“
    „Nein“, brachte Desmond erschöpft hervor. „Ich will nichts mehr, ehe Sie nicht nach Brewster sehen.“
    Nun keuchte Rachel und öffnete sogar den Mund zu einem erschrockenen Ausruf, doch Marianne presste ihr fest die Hand auf die Lippen, um sie zum Schweigen zu bringen.
    „Nun gut, aber mehr Wasser gibt es nicht. Was er trinkt, werden Sie entbehren“, drohte Carstairs, doch seine Worte änderten nichts an Desmonds Entscheidung.
    Sie vernahmen ein Stöhnen. Das war Bernie, und Marianne fühlte, wie heiße Tränen über ihre Hand rannen, die immer noch auf Rachels Mund lag.
    „Da ist Wasser. Trinken Sie einen Schluck“, befahl Carstairs.
    Man hörte, wie jemand sich mühsam aufrappelte – wahrscheinlich Brewster –, und dann lautes Schlucken, Würgen und Speien.
    „Da haben wir’s“, sagte Carstairs. „Das Wasser ist fast verbraucht, und die Hälfte davon hat Ihr Freund auf den Boden gespuckt. Ich habe Sie gewarnt.“
    „Das Brot“, murmelte Desmond.
    „Ich habe kein Bankett für zwei mitgebracht. Wenn Sie das Brot wollen, essen Sie es. Sonstnehme ich es wieder mit nach oben.“
    „Geben Sie ihm meinen Teil. Und den Rest des Wassers“, verlangte Desmond. Mit einem Mal klang seine Stimme kraftvoll, und in seinen Worten lag ein Befehlston, dem man sich nicht widersetzen konnte.
    „Narr!“, stieß Carstairs hervor, doch sie hörten seine Schritte und noch einmal Bernies leises Stöhnen, als Carstairs die Anweisung ausführte.
    „Wieso bringen Sie uns nicht einfach um?“, fragte Desmond. „Das ist doch letztlich Ihre Absicht.“
    „Oh, Sie dürfen nicht glauben, dass ich Vergnügen daran finde“, meinte Carstairs. „Mir gefällt das Ganze nicht besser als Ihnen.“ Er unterbrach sich, und sein bösartiges Gelächter hallte an den Wänden wider. „Nun ja, vielleicht gefällt es mir doch ein bisschen besser als Ihnen. Aber verzweifeln Sie nicht, sobald Ihr Vater etwas schickt, das mich für meine Verluste entschädigt, bin ich gern bereit, Sie zu töten. Allerdings werde ich mir dabei viel Zeit lassen. Ich finde, dass das Leiden anderer eine unwiderstehliche Faszination ausübt.“
    „Ich sagte Ihnen doch, dass mein Vater kein Lösegeld für mich zahlen würde“, erklärte Desmond.
    „Er soll nicht bereit sein, sein Lieblingskind, seinen einzigen Sohn auszulösen? Oh, ich glaube, da unterschätzen Sie die Liebe eines Vaters“, knurrte Carstairs.
    „Ich bin alles andere als sein ‚Lieblingssohn‘“, widersprach

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