Herz in Fesseln
aufzuwachen und mit rasendem Herzen in der Dunkelheit zu liegen, während dunkle Schattengestalten sie umschlichen und nach ihr zu greifen versuchten …
Eilig verließ sie ebenfalls das Bett und streifte sich, ohne nachzudenken, Damons Hemd über. „Ich hole ihr etwas zu trinken.“
Als sie wenige Minuten später mit einem Glas Milch in der Hand das gemütliche kleine Mansardenzimmer betrat, hockte Ianthe zusammengekauert auf ihrem Bett, während Damon zur Hälfte darunter verschwunden war.
„Hast du sie, Papa?“, fragte Ianthe unter Tränen.
„Noch nicht, kyria . Ich glaube, sie ist weggelaufen.“ Er kam wieder hervor und richtete sich auf. „Eine Spinne“, klärte er Anna auf, die verblüfft die Szene verfolgt hatte.
„Aber ich kann nicht schlafen, wenn sie unter meinem Bett ist“, jammerte Ianthe und begann wieder zu weinen.
Damon gab einen resignierten Seufzer von sich. „Ich hole eine Taschenlampe und sehe noch einmal nach“, versprach er und verließ das Zimmer.
„Sie war riesengroß, Anna …“, Ianthe spreizte die Finger, um Anna die enorme Größe des Tiers zu demonstrieren. „Ich hasse Spinnen, und ich will wieder nach Hause!“
Impulsiv nahm Anna das schluchzende Kind in die Arme und wiegte es sacht hin und her. „Ich bin sicher, dass sie jetzt weg ist, Liebling.“ Beschwichtigend strich sie der Kleinen über den Rücken und schilderte ihr all die schönen Dinge, die sie noch miteinander unternehmen könnten. Die Methode wirkte. Allmählich ebbten die Schluchzer ab, und als Ianthe schließlich die Augen schwer wurden, bettete Anna sie sanft in die Kissen.
„Fühlst du dich jetzt besser?“, fragte sie leise und hüllte die kleine Gestalt fürsorglich in die Bettdecke. „Du willst doch nicht wirklich nach Hause, oder?“
„Nein“, erwiderte Ianthe schläfrig. „Ich liebe Poros, und Papa liebt es auch. Deswegen ist er auch nach der Hochzeit mit Mama hierhergekommen. Glaubst du, ihr hat Poros auch gefallen, Anna?“
„Ganz bestimmt“, versicherte Anna ihr ruhig, während sie verzweifelt gegen die heftige Übelkeit ankämpfte, die sie plötzlich übermannte.
Das Fehlen jeder sichtbaren Erinnerung an Damons erste Frau war einer der Gründe gewesen, warum sie sich hier so entspannt gefühlt hatte. Und nun musste sie erfahren, dass das ganze Hause selbst – ja, vermutlich die gesamte Insel – ein einziges Mahnmal der Liebe war, die Damon einst mit Eleni geteilt hatte.
Inzwischen war Ianthe fest eingeschlafen. Wie benommen stand Anna auf und verließ leise das Zimmer. Auf dem Treppenabsatz wäre sie fast mit Damon zusammengestoßen.
„Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat, aber ich konnte die verdammte Taschenlampe nicht finden.“
„Da macht nichts. Ianthe schläft, und ich werde jetzt auch zu Bett gehen.“ War das wirklich ihre Stimme? Anna wagte es nicht, Damon anzusehen, und als er sie an sich ziehen wollte, wich sie einen Schritt zurück.
„Bitte nicht, Damon“, brachte sie tonlos hervor. „Ich möchte einfach nur ins Bett … allein.“
„Verstehe.“ Damons Stimme klang plötzlich kalt und emotionslos. „Tut mir leid, Anna, aber Kinder haben es nun mal an sich, einen manchmal im unpassendsten Moment zu brauchen. Das ist leider die Realität.“
Überrascht hob sie den Kopf und versuchte sich nicht anmerken zu lassen, wie aufgewühlt sie war. „Aber das akzeptiere ich doch, Damon.“
„Wirklich?“ Er lachte humorlos auf. „Ich habe aber eher den Eindruck, dass du mich bestrafen willst, weil ich die Belange meiner Tochter über dich gestellt habe.“ Er hielt inne und betrachtete sie, als würde er sie zum ersten Mal sehen. „Ich dachte, du wärst anders“, fügte er verbittert hinzu, „aber offenbar habe ich mich getäuscht.“
Und bevor Anna etwas entgegnen konnte, verschwand Damon in seinem Zimmer und schlug die Tür hinter sich zu.
11. KAPITEL
Der Flug nach Paris schien kein Ende zu nehmen. Zum Glück war der Service erstklassig, und der bequeme Sitz bot Anna genügend Platz, um ihre langen Beine auszustrecken. Erster Klasse zu reisen gehörte zu den vielen Vorteilen ihres Berufs, doch während der drei langen, einsamen Wochen in Australien war ihr klar geworden, dass sie ohne zu zögern ihre kostbare Karriere opfern würde, um wieder mit Damon zusammen sein zu können.
Allerdings war es mehr als unwahrscheinlich, dass sie sich je wiedersehen würden, nachdem sie auf Poros so erbittert auseinandergegangen waren …
Noch lange nachdem
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