Herz in Gefahr (German Edition)
Mönch, der links vor dem Richtertisch an einem Schreibpult stand und eifrig auf ein Stück Pergament kritzelte.
»Bruder Anthony, verlest die Zeugenaussage von Pater Gregor, dem Abt des Klosters in Cliffordshire«, sagte Bourchier und sah mit einem fast unmerklichem Lächeln zu Robin, dessen Gesicht unverkennbar große Verblüffung zeigte. Pater Gregor?, fragte er sich. War er hier? Wie kam der Erzbischof von Canterbury zu einer Zeugenaussage des Geistlichen aus der Heimat?
Der Mönch nickte, dann begann er mit der Verlesung: »Vor Gott, dem höchsten Richter, bezeuge ich, Pater Gregor, Abt des Augustinerklosters zu Cliffordshire, was mir Margaret, Kinderfrau zu Waterhouse, auf dem Sterbebett anvertraut hat. Besagte Frau legte kurz vor ihrem Tod eine Beichte ab, in der sie mitteilte, vor Jahren zwei identische Ringe, geschmückt von einem blutroten Rubin, mit dem tödlichen Gift des Fingerhutes gefüllt zu haben. Einer der Ringe gehört nun zum Besitz von Sir Matthew Warthorpe, während Robin Bloomfield, ehemaliger Lord zu Bloomfield, den anderen sein eigen nennt.
Margaret gab weiterhin an, dass ein Reiter, nachdem er auf einer Waldlichtung im Manor Waterhouse den Erben von Waterhouse, Andrew, umgeritten hatte, vom Pferd stieg, mit der beringten Hand dem am Boden liegenden Knaben eine Ohrfeige gab, bei der das tödliche Gift des Ringes in den Körper des Andrew Waterhouse drang, worauf dieser wenig später unter schrecklichen Qualen verstarb. Sie habe den Reiter erkannt und gebe – so wahr ihr Gott helfe – an, dass der Name des Mannes Sir Matthew Warthorpe lautet. Geschrieben und bezeugt von Pater Gregor zu Cliffordshire.«
Der Mönch ließ das Papier sinken und sah zu Bour-chier. Dieser beobachtete gespannt Matthew Warthorpe, der mit grenzenlosem Erstaunen auf seinen Ring sah, welcher noch immer einen Finger seiner linken Hand zierte. Wie gebannt starrte er auf den blutroten Rubin, als sähe er ihn zum ersten Mal. Dann schüttelte er den Kopf, sprang von der Bank auf und schrie mit sich überschlagender Stimme und angstverzerrtem Gesicht: »Lüge! Margaret war eine Hexe! Kein Wort von dem, was der Pfaffe bezeugt und der Mönch verlesen hat, ist wahr. Robin Bloomfield hat den Jungen getötet! Ich weiß nichts vom Gift in dem Ring!« Er stand da, die Hände zu Fäusten geballt, nacktes Entsetzen im Gesicht, den Oberkörper nach vorn gebeugt, und setzte an, sich auf den Mönch zu stürzen und ihm die Pergamentrolle zu entreißen.
»Mäßigt Euch, Warthorpe!«, brüllte der Erzbischof mit Donnerstimme, sodass Matthew erschrocken zusammenfuhr. »Ihr entehrt mit Eurem unziemlichen Verhalten das hohe Gericht!«
Zwei Klosterbedienstete, die als Wache neben der Tür gestanden hatten, kamen hinzu, packten Warthorpe an den Armen und zwangen ihn, wieder Platz zu nehmen.
»Aber ich bin kein Mörder! Ich will nicht gehängt werden! Bloomfield war es!«, schrie Warthorpe unverändert laut, doch plötzlich weinerlich, weiter.
Der Erzbischof hieb mit der Faust so kräftig auf den Tisch, dass Matthew erneut zusammenfuhr.
»Schweigt still, sonst lasse ich Euch sofort zurück in die Arrestzelle führen«, herrschte Bourchier ihn an, und der Ritter Sir Matthew Warthorpe verstummte augenblicklich.
»Zum letzten Mal fordere ich Euch, Sir Warthorpe, auf, die Wahrheit zu sagen und Euer Gewissen vor Gott und den Menschen zu erleichtern. Ihr habt die Aussage von Pater Gregor, welche mich vor wenigen Tagen über einen Boten erreichte, gehört. Ich frage Euch also: Gebt Ihr zu, Andrew den Erben von Waterhouse, getötet zu haben? Bedenkt gut, wie und was Ihr antwortet, und lasst auch das Feuer der Hölle nicht außer Acht, welches jedem, der einen Meineid leistet, sicher ist.«
»Ich bin unschuldig!«, erwiderte Warthorpe und sah Bourchier dabei flehentlich an.
Der Erzbischof betrachtete den weinerlichen, fleischigen Mann, der vor ihm saß. Verachtung für Warthorpe überfiel ihn, doch er unterdrückte dieses Gefühl schnell wieder. Als geistlicher Richter musste er unabhängig und sachlich bleiben, wenn er der Hüter der Wahrheit sein wollte. Doch es fiel ihm schwer, Neutralität zu bewahren, denn der ungepflegte, verschlagene, niederträchtige und feige Eindruck, den Sir Matthew hinterließ, erweckte bei dem hohen kirchlichen Würdenträger ein Gefühl von Abscheu und Widerwillen. Bourchier wechselte einen Blick mit seinem weltlichen Kollegen, dann zog er das kleine Holzkästchen etwas näher zu sich heran und öffnete den
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