Herz in Gefahr (German Edition)
Matthew Warthorpe, der mit irren, rollenden Augen vor ihr stand und dessen Hände nach ihrer Kehle greifen wollten. Und alles Leid, aller Kummer, den er ihr und ihrer Familie zugefügt hatte, brannte heiß und schmerzhaft wie Feuer in ihrer Seele. Wie sehr hatte sie gewünscht, dass Robin den verhassten Feind finden würde! Er durfte nicht entkommen! Um nichts in der Welt würde sie zulassen, dass es ihm gelang, im letzten Moment aus dem Gerichtssaal zu entfliehen. Mit einem Blick erfasste sie die Situation, sprang wie eine Katze auf Warthorpe zu und riss ihn von den Beinen. Er griff nach ihren Haaren, zog schmerzhaft daran. Doch schon waren die Klosterknechte zur Stelle und hielten ihn fest, sodass er sie loslassen musste. Helen erhob sich mit zitternden Knien und lehnte sich haltsuchend an die kühle Steinwand. Matthew brach in verzweifelte Tränen aus. Wie ein Kleinkind heulte und winselte er um Erbarmen. Er schlug mit den Armen um sich, doch die Klosterknechte waren stärker. Sie zogen ihn auf die Füße und schleiften ihn zurück vor den Richtertisch.
Robin war unterdessen zu Helen gelaufen. Behutsam nahm er sie in den Arm, strich beruhigend über ihren Rücken. »Bist du verletzt?«, fragte er besorgt.
»Nein, Robin, es geht mir gut.«
Sie sahen einander in die Augen und hätten sich indiesem Moment noch so viel zu sagen gehabt, doch alle diese Dinge mussten warten.
»Ich bitte darum, fortzufahren«, ertönte die Stimme Bourchiers durch den Raum, in dem es plötzlich unangenehm nach Angst roch.
»Bitte nehmt Eure Plätze ein.« Er nickte Helen freundlich und väterlich zu und machte ihr mit einer Handbewegung deutlich, dass sie sich neben Funbird setzen sollte. Der Erzbischof wartete, bis Funbird und Helen einander kurz und herzlich umarmt hatten. Er sah abwechselnd zu Robin, der hochaufgerichtet und stolzen Blickes vor Warthorpe stand, welcher wie ein nasser Sack in den Armen der beiden Klosterknechte hing und leise wimmerte.
»Euer Ehren, ehrwürdiger Vater«, wandte sich Robin an die beiden Verhandlungsführer. »Erlaubt mir, dass ich auf den ersten Schlag verzichte. Ich bin ein Edelmann und überlasse meinem Gegner den ersten Streich.« Er trat zu dem Richtertisch und ließ sich vom Erzbischof von Canterbury seinen Ring mit dem blutroten Rubin, den dieser in Verwahrung genommen und in dem kleinen Holzkästchen aufbewahrt hatte, auf einen Finger der rechten Hand stecken.
Der weltliche Richter nickte. »Nun, denn, Sir Warthorpe, so beginnt den Kampf!«
Doch Warthorpe schüttelte kläglich mit dem Kopf. Erbärmlich hing er zwischen den Klosterknechten, als erhoffe er von ihnen Schutz und Stütze. Doch diese ließen ihn mit einem verächtlichen Blick los. Warthorpe taumelte zurück. Als er Halt gefunden hatte, sah er Robin Bloomfield mit einem jämmerlichen Blick an. Robin trat einen Schritt auf den verhassten Gegner zu, dem es um ein Haar gelungen wäre, ihm alles zu nehmen: seine Heimat, die Freiheit und, vor allem, die Frau, die er liebte. Warthorpe wich einen Schritt zurück, als wolle er erneut fliehen. Mit gehetztem Gesicht sah er zu denübrigen Anwesenden und warf einen flehentlichen Blick zur Tür, vor der die beiden Wachposten Aufstellung genommen hatten. Jeder Fluchtweg war ihm verstellt. Gefangen wie eine Maus in der Falle war er sich seiner hoffnungslosen Lage bewusst. Sein Atem ging keuchend, Speichel troff ihm von den wulstigen Lippen, und der Schweiß rann ihm in Strömen von der Stirn über das Gesicht.
Und mit jedem Schritt, den Robin langsam näher kam, wich Warthorpe weiter zu Wand zurück, bis er die Steine schließlich im Rücken spürte. Er schlug die Arme schützend vor sein Gesicht und stieß noch einmal ein klägliches, feiges: »Nein!«, hervor. Ganz nahe stand Robin vor Matthew. Ihre Nasenspitzen berührten einander beinahe, und ein jeder konnte den Atem des Gegners auf seinem Gesicht spüren. Robin roch die Angst, die der Erzfeind im Angesicht seiner gerechten Strafe ausschwitzte. Noch einmal sah er in dessen Augen und erkannte die ganze Erbärmlichkeit von dessen Charakter. Angewidert wandte er sein Gesicht zur Seite und hielt Matthew seine Wange zum Schlag hin. Er empfand beinahe schon Mitleid für diesen Mann, der an Jämmerlichkeit nicht mehr zu überbieten war. Robin schloss die Augen, und während er auf Warthorpes Schlag wartete, zogen vor seinem inneren Auge noch einmal all die schrecklichen Erlebnisse der letzten Tage und Wochen an ihm vorbei. Noch einmal sah er
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