Herz in Not
seinem Bett saß, eine Weile nachdenklich angesehen hatte, fuhr Lorrimer fort: „Aber ein Bild von einem Mann, attraktiv und elegant - Sie sollten aufpassen. Der Schurke ist hartnäckig. Er könnte eines Tages wieder auftauchen.“ Dann kroch der Greis behände unter die Decke, die er sich bis zur Nasenspitze zog.
Gedankenverloren blickte David auf seine Hände. Es ist das Beste, die Vergangenheit ruhen zu lassen, die gemeinsame Zukunft liegt vor uns, überlegte er. Als er die ruhigen, gleichmäßigen Atemzüge von Charles Lorrimer hörte, stand er auf und ging zum Fenster. Er schob den Vorhang ein wenig beiseite und schaute hinaus in den erwachenden Morgen. Das also ist Victorias Hartfield, dachte er. Genau wie sie es beschrieben hatte: eine leicht hügelige Parklandschaft, am Horizont der Wald, zur Rechten ein stiller See, dessen Wasser in der aufgehenden
Sonne silbern glänzte.
Zögernd wandte David sich ab. Er nahm Krawatte und Gehrock, strich Hemd und Hose etwas glatt und verließ den Raum. Er schmunzelte, als er Samuels massige Gestellt auf dem kleinen zerbrechlichen Stuhl vor Victorias Zimmertür sitzen sah. Den Kopf gegen die Wand gelehnt, schnarchte der Diener tief und fest.
David trat leise näher und betrachtete die wettergegerbten Gesichtszüge des Mannes, der die ganze Nacht vor Victorias Tür gewacht zu haben schien. Loyal - aber inkompetent, dachte David bei sich, beugte sich über den Diener, öffnete die Tür einen Spalt breit und zog sie geräuschvoll wieder ins Schloss.
Samuel schoss erschrocken hoch.
„Ein herrlicher Morgen“, sagte David gut gelaunt, während er sich den Gehrock überstreifte. Dann zog er sich die Manschetten zurecht und schlenderte langsam zur Treppe.
„Hat er bestimmt keine Nachricht für mich hinterlassen, Samuel?“ „Nein, Ma’am ... wirklich nicht.“
„Der Viscount hat wirklich nichts gesagt, bevor er gegangen ist?“ fragte Victoria fassungslos.
„Hmm ... nur, dass es ein herrlicher Morgen ist.“
„Danke, Samuel.“ Victoria wandte sich enttäuscht ab und atmete tief durch. „Sorgen Sie bitte dafür, dass Kaminholz im Morgenzimmer nachgefüllt wird. Und nach dem Frühstück gehen Sie mit Mr. Lorrimer an die frische Luft. Es ist wahrlich ein herrlicher Morgen ...“ Sie zögerte, fuhr aber tapfer fort: „Eine halbe Stunde in der Sonne wird meinem Vater gut tun.“
Devot senkte Samuel seinen hellblonden Schopf. Wütend war er, Himmel und Hölle wollte er in Bewegung setzen, den Bastard umbringen, der seine wundervolle Herrin verführt hatte und grußlos wieder nach London zu seinen lasterhaften Freuden verschwunden war.
Samuel verließ gerade das Esszimmer, um wie befohlen die Holzscheite zu holen, als er Charles Lorrimers Fistelstimme hörte: „Mach nicht so ein Gesicht, Victoria.“
„Ich mache kein Gesicht, Papa.“ Behutsam strich sie über seinen dünnen Arm. „Samuel wird gleich mit dir einen Spaziergang machen ...“ „Der Fremde will nur etwas erledigen ... er kommt bald wieder.“ Victoria sah ihren Vater erstaunt an. Er schien völlig klar. „Hat er das gesagt, Papa? Hast du mit ihm geredet, bevor er gegangen ist?“
„Sicher. Er macht eine Besorgung für mich.“
„Für dich?“ Victoria schmunzelte ungläubig.
„Ein netter Bursche. Er kauft mir Hunde ... damit wir jagen können.“ Enttäuscht wandte Victoria sich ab. Sie war müde, ihr Kopf war schwer vom Wein und zu langem Schlaf.
„Du bist zurück?“ Hocherfreut trat Matilda ins Zimmer und zog Victoria sofort beiseite. „Was ist passiert?“ Forschend sah sie ihre blasse Nichte an. „Nein ... das kann nicht sein ... schon nach einer Nacht deiner überdrüssig? Was ist mit den Schulden?“
„Nicht mal eine Nacht, Tante Matty. Untauglich war ich vermutlich ... Und die Schulden ...“Vergeblich versuchte Victoria die Tränen zurückzuhalten. Eine unverständliche Entschuldigung murmelnd, rannte sie weinend aus dem Zimmer.
Victoria kniete vor dem Grab. Blind vor Kummer zupfte sie zwischen den Blumenrabatten das Unkraut heraus. Was für eine Närrin bin ich doch, schimpfte sie im Stillen. Du kannst ihn nicht ändern. Was muss noch passieren, bis du endlich glaubst, das er der unmoralische Taugenichts ist, für den ihn jeder hält?
Hilfe suchend blickte sie auf die Inschrift in dem Granitstein. „Oh, Daniel“, murmelte sie, „was soll ich nur tun? Ich will Hartfield nicht verlieren ...“
„Bitten Sie Ihren reichen Liebhaber doch um ein paar Juwelen, die Sie dann
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