Herz in Not
Fleisch. Was lässt sich aus den Resten zubereiten?“ „Ein Haschee mit viel Kräutern.“
„Ich hole die Kräuter, Edith. Heizen Sie inzwischen den Herd an.“ Ich werde hier noch verrückt, dachte Victoria, während sie zum Küchengarten eilte. Sie hatte Kopfschmerzen, war wütend über Beresford und die Frau auf dem Friedhof und nun noch die respektlosen Dienstboten.
„Wir haben Sie überall gesucht, Ma’am“, rief Beryl, die aufgeregt die Hintertreppe herabpolterte. „Mr. Lorrimer ist aus dem Bett gefallen. Er hat eine Wunde am Kopf. Aber alles halb so schlimm, Samuel hat ihn beruhigen können. Ihr Vater schläft jetzt.“ Beryl holte tief Luft. „Ich hole nur ein Scheuertuch für Sally. Es ist nämlich ein kleines Malheur passiert...“
„Ist er ernstlich verletzt?“
„Nein, Ma’am. Er hat sogar gekichert, als Samuel auf dem nassen Boden ausgerutscht ist.“
Verzweifelt vergrub Victoria ihr Gesicht in den Händen. Sie war dem Weinen nahe. „Danke, Beryl“, sagte sie steif und verließ eilig das Haus
durch die Hintertür.
Der Weg führte durch einen gotischen Torbogen direkt in den Kräutergarten. Kurz kämpfte Victoria mit dem rostigen Riegel an dem alten verwitterten Tor, dann duckte sie sich durch den niedrigen Einlass und ging über den Plattenweg vorbei an Buchsbaumhecken zu dem Rosemarinbusch. Es war, als habe sich ein Quell geöffnet, unaufhörlich rannen ihr die Tränen übers Gesicht. Nun vertraue ich nicht einmal mehr meinen Dienstboten, es fehlt mir an Menschenkenntnis, warf sie sich vor. Hatte sie nicht Alexander Beresford auch zunächst für einen sympathischen und ehrenwerten Mann gehalten? Der einzige Mann, der so ein Lob verdiente, lag auf Hartfields Friedhof und konnte ihr nicht mehr helfen. Die untergehende Sonne erinnerte sie an die Zeit und daran, dass Edith auf die Kräuter wartete. Schnell brach sie ein paar Zweiglein ab und legte sie vor sich auf den Boden.
„Haben wir keinen Gärtner, Vicky?“
Victoria fuhr herum. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Mit einem ärgerlichen Aufschrei rannte sie auf ihn zu und trommelte mit ihren schmutzigen Fäusten gegen seine Brust. „Geh weg!“ schluchzte sie. „Geh ... geh... immer lässt du mich allein!“
Sie wurde hochgehoben und umarmt - so fest, dass sie kaum Luft bekam. Nur kurz wehrte sie sich, dann gab sie nach und barg ihr verweintes Gesicht an seinem Hals. Eine große Hand strich ihr beschwichtigend über den Rücken bis hinauf zum Nacken unter dem wirren Haar. Leise tröstende Worte beruhigten sie ein wenig, und sie schlang einen Arm um Davids Nacken.
„Du hast mich also vermisst, Vicky“, brachte er halb erstickt heraus. „Hätte ich das nur geahnt, hätte ich dich geweckt und mitgenommen. Ich dachte, du würdest den ganzen Nachmittag schlafen. Wie lange bist du denn schon auf?“ Victoria schluchzte leise gegen seine Schulter. Zärtlich strich ihr David übers Haar. „Hast du Kopfschmerzen?“ Sie nickte stumm, und als er vorsichtig seine Umarmung etwas lockern wollte, klammerte sie sich fest an ihn. „Was ist los? Du weinst doch nicht, weil ich Besorgungen in der Stadt gemacht habe. Ist etwas mit deinem Vater?“
Schluchzend schüttelte Victoria den Kopf. Sie fühlte sich so geborgen in Davids Armen. Doch langsam gewann sie wieder Haltung, und damit kehrte ihr Gefühl für Anstand zurück. Schnell ließ sie ihn los, trat ein paar Schritte zurück und wollte sich beschämt umdrehen. Doch David hielt sie fest, zwang sie, ihn anzusehen. Sacht strich er ihr eine Strähne aus dem Gesicht. „Hast du geglaubt, ich käme nicht wieder?“ fragte er verwundert. „Du hast mir nicht vertraut und hast angenommen, ich führe nach London, um zu spielen ... zu trinken ... zu huren?“
Ja“, flüsterte sie und befreite sich. „Genau das habe ich gedacht, Lord Courtenay. Besonders da eine dieser ... Damen hier nach Ihnen gesucht hat.“ Wie in Trance sammelte sie die Rosmarinzweige auf. „Die Köchin wartet auf mich. Es ist spät, und wir haben einen Gast...“
„Ich?“
Victoria errötete. „Selbstverständlich sind auch Sie willkommen ...“ „Selbstverständlich ...“, wiederholte David enttäuscht. „Eine Frau hat nach mir gesucht?“ fragte er skeptisch und ein wenig amüsiert. „Hat sie ihren Namen genannt?“
,Ja, Mylord“, erwiderte Victoria kühl. „Petronella Vaughan.“
David nahm ihre Hand. „Wir werden später darüber sprechen“, sagte er, während er neben ihr zum Haus ging.
12.
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