Herz ist Trumpf
nickte. „Ich denke, Sie sollten ganz vernünftig mit ihr reden. Vernünftig und entschieden. Damit kann man Miss Penny überzeugen.“
Guilford fragte sich, ob er den Rat dieses zehnjährigen Stalljungen beherzigen sollte. Aber Billy war ziemlich klug für sein Alter, und außerdem hatte er recht. Mit Rubinarmbändern würde er Amariah nicht gewinnen. Wenn es ihm indes gelang, noch moralischer, noch wohltätiger, noch praktischer zu werden, als sie selbst es war, blieb ihr gar keine andere Wahl, als ihm gegenüber leidenschaftlicher zu werden – und das Praktische, Vernünftige außen vor zu lassen. Das war der Weg, auf dem sie beide bekommen würden, was sie sich wünschten.
Guilford lächelte. Amariah würde ihm gehören.
Amariah rieb sich seufzend den schmerzenden Arm und machte sich daran, den letzten Haufen Papiere zu sortieren, damit Pratt sie wegräumen konnte. Bislang hatte sie nicht feststellen können, dass etwas abhanden gekommen war.
Das Gespräch mit der Dienerschaft war wie erwartet verlaufen. Die meisten ihrer Dienstboten hatten bereits von dem Eindringling erfahren und Amariahs Mahnung, noch vorsichtiger zu sein, ernst genommen. Sie war dem Personal in einem langärmeligen Kleid gegenübergetreten, das die Prellung an ihrem Arm verbarg, aber sie hatte nicht genug Puder aufgelegt, um die Beule an ihrer Stirn abzudecken, und zwei der jüngeren Hausmädchen hatten sie furchtsam angestarrt. Heute Abend würde sie ein Haarband oder einen Turban tragen, denn das Letzte, was sie wollte, war, dass die Mitglieder untereinander Wetten darüber abschlossen, wer sie geschlagen hatte, oder einen ähnlichen Unsinn.
Ob Guilford wohl kommen würde? Es war ihm zuzutrauen, dass er wie üblich erschien und so tat, als sei nichts geschehen, aber es war genauso gut möglich, dass er für immer aus dem Club – und aus ihrem Leben – verschwand.
„Können Sie schon sagen, ob etwas fehlt, Miss Penny?“, unterbrach Mr. Fewler ihre Gedanken. Der Leiter der Wachmannschaft war früher Bow-Street-Detektiv gewesen, und er und seine Truppe hatten sich auf den Schutz hochklassiger Etablissements wie Penny House spezialisiert. Amariah fand, dass sein Urteilsvermögen und sein Rat trotz seiner schroffen Art immer erstaunlich zutreffend waren. Zwar hatte er bislang ebenso wenig wie der Konstabler eine Antwort darauf, wer der Eindringling gewesen sein könnte, doch Fewler besaß weder Greens Selbstgefälligkeit, noch neigte er dazu, voreilige Schlussfolgerungen zu ziehen. „Die Schubladen wurden jedenfalls nicht mit Gewalt aufgebrochen“, sagte er nachdenklich.
Amariah errötete verlegen. „Ich hatte sie nicht abgeschlossen, genau wie die Tür“, gab sie zu, ohne von ihrer Tätigkeit aufzusehen. „Ich hätte es ihm nicht leichter machen können. Aber ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass ich hier oben so vorsichtig sein müsste.“ Sie nahm ein Stück Papier, das sie gerade ordentlich auf einen Stapel gelegt hatte, in die Hand und überflog es verblüfft. „Na, das ist ja merkwürdig. Pratt, wussten Sie, dass Baron Westbrook kürzlich beim Hazard gewonnen hat?“
„Lord Westbrook?“ Pratt sah von der Kiste auf, die er gerade bepackte. „Nein, Miss Penny, das war mir nicht bekannt.“
„Diesem Schuldschein zufolge hat er Lord Stanton ziemlich viel abgeknöpft.“
„Darf ich den Schein einmal sehen, Miss Penny?“ Fewler trat neben sie, und Amariah gab ihm das Schriftstück. „Bewahren Sie diese Scheine normalerweise nicht zusammen mit den Einnahmen in der Geldkassette auf?“
„Meistens schon.“ Amariah zuckte die Schultern. „Aber wir hatten so viel zu tun, dass ich mit dem Sortieren nicht hinterherkam.“
Fewler gab ihr den Schein zurück. „Westbrooks Onkel wird sich freuen, dass der arme Bursche so viel gewonnen hat. In den letzten Monaten dürfte der alte Herr den Geldbeutel ziemlich fest zugeschnürt haben.“
Amariah sah Fewler neugierig an. „Weshalb sollte sein Onkel so etwas tun?“
„Verluste“, erwiderte Fewler knapp. „Er hat diesen Herbst bei einem schweren Sturm vor Jamaika zwei Schiffe verloren.“
„Wie schrecklich!“ Es war gut, wenn man über derartige Rückschläge der Mitglieder informiert war. „Woher wissen Sie davon?“
„Ich habe Bekannte bei den Versicherungsgesellschaften“, erklärte Fewler bereitwillig. „Sie sind immer die Ersten, die von Schiffsunglücken erfahren. Hat Westbrook um Kredit gebeten?“
„Bis jetzt nicht.“ Amariah legte den Schein auf
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