Herz nach Maß (German Edition)
uns auch immer ist, ich möchte, dass wir uns Zeit lassen. Wenn du dich dann besser fühlst: Das alles ist auch neu für mich.«
»Was? Aber du –«
Will hob eine Hand und Jack presste die Lippen zusammen und wartete. »Ich meine die Gefühle. Klar, ich bin schon mit Männern zusammen gewesen. Mit vielen Männern, worauf ich nicht unbedingt stolz bin. Was ich sagen will, ist, dass ich noch nie verliebt war.« Jetzt war Will an der Reihe, zu erröten, was zum Ergebnis hatte, dass Jack ruhiger wurde. »Nicht, dass ich sagen will, dass wir ineinander verliebt sind«, verbesserte sich Will hastig.
»Nein, nein, natürlich nicht«, stimmte Jack zu.
»Ich schätze, was ich meine, ist das Gefühlslevel, diese tiefe Verbundenheit… das hab ich zuvor noch nicht erlebt. Ich bin Jungfrau, wenn du so willst« – er grinste, sein Gesichtsausdruck war mit einem Mal schelmisch – »wenn es um Liebe geht.«
Das Lächeln verschwand von seinen Lippen, als er plötzlich in traurigem Tonfall sagte: »Ich hatte noch nie eine richtige Beziehung, mit niemandem. Bis jetzt hat mich das nie gestört. Ich glaube, irgendwie hat mich das auf eine verdrehte Art und Weise stolz gemacht. Schätze, damit habe ich mich in Sicherheit gewiegt. Das klingt so klischeehaft, aber wenn man sich nicht verliebt, muss man sich auch nicht entlieben. Wenn man sich emotional auf nichts einlässt, kann man auch nicht verletzt werden.
Und für mich hat das super funktioniert, wenn man chronische Einsamkeit, die sich als ungebundene Freiheit tarnt, nicht dazuzählt. Wenn man nicht dazuzählt, neben jemandem aufzuwachen, an dessen Namen man sich kaum erinnern kann, oder – schlimmer – ihn zu ficken und noch währenddessen zu wissen, dass man ihn nicht wiedersehen will.
Man sagt ja, dass Timing alles ist. Vielleicht stimmt das. Ich bin dreißig geworden und habe erkannt, dass mein Leben ein Haufen Scheiße ist. Ich habe Geld und eine Karriere, die mein Leben vollständig auffrisst. Abgesehen von den Stunden, die ich mit bedeutungslosem Sex mit praktisch Fremden verbringe oder mit Männern, von denen ich weiß, dass ich sie niemals lieben könnte. Ich habe das alles hinter mir gelassen in dem Versuch, etwas Frieden zu finden, und Zack! – Auftritt Jack Crawford.«
»Ein Kerl, der vierzehn Jahre älter ist als du und der nicht die geringste Ahnung hat, was er hier eigentlich macht«, warf Jack mit einem reuevollen Grinsen ein.
»Na und? Darauf will ich ja hinaus, glaube ich. Ich habe auch keine Ahnung. Um es mit deinen Worten auszudrücken: Das übersteigt auch komplett meinen Erfahrungshorizont. Unbekannte Gewässer. Für dich körperlich gesehen, für mich emotional.«
Jack grübelte über Wills Worte nach. Es war ihm ganz ehrlich nicht in den Sinn gekommen, dass Will auch nur ein Fitzelchen der Angst verspürte, die er in den vergangenen paar Tagen verspürt hatte. Obwohl er immer noch nicht wusste, was er tun, wie er reagieren sollte oder was ihnen beiden noch bevorstand, war es einfacher, dem entgegenzusehen, nachdem er nun wusste, dass Will in gewisser Weise ebensolche Angst hatte wie er.
Er wollte über den Tisch greifen und seine Hand in einer Trost spendenden Geste auf Wills legen, aber Jahre der Konditionierung hielten ihn an einem öffentlichen Ort wie diesem davon ab. Stattdessen tätschelte er Wills Arm.
»Offenbar stolpern wir also gemeinsam da durch«, sagte er.
»Okay. Aber, Jack, du musst mir etwas versprechen.« Wills Gesichtsausdruck war ernst.
Jack lehnte sich vor, sein Lächeln verblasste. »Ja, natürlich. Was denn?«
»Sei zärtlich zu mir. Ich bin Jungfrau.« Noch einen Moment lang behielt Will den ernsten Gesichtsausdruck bei, aber dann zog ein Lächeln seine Mundwinkel nach oben und er brach in schadenfrohes Gelächter aus. Jack gab Wills Hinterkopf einen Klaps.
Trotzdem musste er ebenfalls lachen. Ihm wurde leicht ums Herz, wie er es seit vielen Jahren nicht mehr gespürt hatte. »Lass uns von hier verschwinden.«
Kapitel 9
»Das ist solides Messing. Wenn du es aufpolierst, hast du hier eine echte Schönheit.« Jack strich über die Seite des abgenutzten, alten Teleskops, das Will vom Dachboden geholt hatte. Sie standen draußen auf der hinteren Terrasse. Das Teleskop war auf ein Stativ montiert, die Linse auf den Himmel ausgerichtet.
Will beobachtete Jack, der an den Knöpfen herumdrehte, nachdem er sein Gesicht nahe an das Okular herangebracht hatte. Es war die perfekte Nacht, um Sterne zu deuten, klar und warm und
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