Herz nach Maß (German Edition)

konnte. Er würde derjenige sein, der ihr dabei helfen würde, diese idiotischen, fehlgeleiteten Ansichten niederzustrecken, die ihre Gedanken verzerrten und verhinderten, dass sie körperliche Befriedigung erfuhr. Wenn er sie nur dazu bringen könnte, sich genug zu entspannen, würde er ihr zeigen, was sie verpasste. Sie würde dankbar sein und seine persönliche Sexgöttin werden.
    Sie hatte ihm hart seitlich gegen den Kopf geschlagen, als er das erste – und einzige – Mal versucht hatte, sie zu lecken.
    »Das ist ekelhaft! Es ist schmutzig!«, hatte sie ihn angeschrien, das Gesicht rot vor Scham und Wut. »Geh weg von mir. Wage es nicht, das noch einmal zu tun, Jack Crawford.«
    Sie hatte auch nie seinen Schwanz mit den Händen berührt und ganz bestimmt nie mit ihrem Mund. Immerhin schien sie Gefallen an der Missionarsstellung zu finden, die sie zur Genüge eingenommen hatten. Sie hatte geseufzt, ihm zugemurmelt, dass sie ihn liebte, und sich unter ihm gewunden, um ihm schneller zum Orgasmus zu verhelfen, aber zwischen ihnen hatte sehr wenig Leidenschaft existiert.
    Zunächst hatte er es auf die Schwangerschaft geschoben, die der Ehe vorausgegangen war. Sie hatten nie die Gelegenheit gehabt, sorglos zu sein. Danach hatte er es auf die Anforderungen an eine junge Mutterschaft geschoben, dann auf die vergangene Zeit, in der sie sich mit ihm gelangweilt hatte. Nach einer Weile hatte er das Thema komplett aus seinem Kopf gestrichen. Es war, wie es war, und in jeder anderen Hinsicht war sie eine wundervolle Ehefrau gewesen.
    Während er Will beobachtete, der lächelte und angeregt gestikulierte, kam Jack die Erkenntnis, dass der Mangel an Leidenschaft in ihrer Ehe nicht komplett Emmas Schuld gewesen war. Vielleicht war er genauso mechanisch und vorhersehbar gewesen wie sie, indem er ihren Körper als Ventil für seine Lust benutzt hatte, ohne sich Gedanken über seine eigene Mitschuld zu machen.
    Vielleicht war er es ihm nicht bestimmt, mit einer Frau zusammen zu sein.
    Dieser Gedanke war für den Augenblick viel zu gefährlich und er schob ihn mit einem körperlichen Schulterzucken ablehnend beiseite. Wenn er nun allerdings zurückdachte, hatte er nie einen so überwältigenden Orgasmus mit Emma erlebt, wie er ihn in dieser einen Nacht mit Luke gehabt hatte.
    Konnte es sein, dass er sein Leben damit verschwendet hatte, das falsche Leben zu führen?
    Du bist genauso verklemmt und festgefahren wie all die anderen Arschlöcher.
    Hatte Luke recht gehabt? Jack hatte das die ganze Zeit vehement bestritten. Andererseits bedeutete, verklemmt und festgefahren zu sein, sich nicht einzugestehen, wer man wirklich war. Man versteckte sich vor sich selbst – vor der eigenen Natur.
    Er hatte die Fassade jahrelang aufrechterhalten – ein Leben lang. Aber jetzt, nach einem einzigen Kuss, sah Jack das Gebilde von dem, was er dachte, zu sein, in sich zusammenstürzen.
    »Du hörst mir kein bisschen zu, oder?«, beschuldigte Will ihn, aber er lächelte dabei und seine grünen Augen funkelten.
    »Was? Doch, tue ich. Du hast davon gesprochen, wie sich der Aktienmarkt auf die Benzinpreise auswirkt – oder war es andersherum…?« Jack grinste und zuckte ergeben die Schultern.
    »Das war vor zwanzig Minuten.« Will lachte. Er stand auf und schob seinen Stuhl zurück. »Wie wäre es mit einer Runde Dart? Der Verlierer zahlt dem Sieger eine weitere Runde Guinness .«
    »Abgemacht, auch wenn ich besser auf Cola umsteige.«
    Beim Dart-Spielen lagen sie im Vergleich zu Pool fast gleich auf. Jeder von ihnen gewann ein Spiel, dann durchbrach Will in der neunten Runde des dritten Spiels die Serie. Mit frischen Getränken kehrten sie an ihren Tisch zurück. Jack fühlte sich wesentlich entspannter. Die körperliche Aktivität des Spiels hatte möglicherweise etwas von der anhaltenden sexuellen Energie umgewandelt.
    Schließlich wagte Jack es, das Gespräch auf das zu lenken, was zwischen ihnen passiert war.
    »Dieser Kuss…«, setzte er an. Er fühlte seine Wangen warm werden und hoffte, dass der Raum zu dämmerig war, als dass Will es hätte erkennen können.
    … war atemberaubend. War der unglaublichste Kuss, den ich jemals bekommen habe.
    ... war das erste Mal, dass ich einen Mann geküsst habe…
    Nein. Er würde nicht lügen. Tatsächlich war das vielleicht sogar der Schlüssel. Wenn er sich Will anvertraute, wenn er jemandem erzählte, was vor über zwanzig Jahren geschehen war, könnte er es vielleicht besser verstehen. Es verarbeiten