Herz ueber Bord
einem Kreuzfahrtschiff Workshops leitete. Aber ich ahnte, dass sein Leben Spannung bot und ohne Sicherheitsnetz funktionierte.
Wie anders verlief dagegen meins. Ich war wohlbehütet aufgewachsen. Meine Tage waren überschaubar und bisher hatte ich es genauso gemocht. Aber jetzt kam mir mein Leben plötzlich angestaubt vor.
»Mannomann, was passiert nur mit mir?«, seufzte ich aufgewühlt.
Hatte es mich etwa erwischt? War ich in Brian verliebt? Unsinn!, schalt ich mich. Klar, alles an ihm sah nach Zucker aus. Wirklich alles. Aber war das bei Sven anfangs nicht auch so gewesen?
Ich löste mich von der Wand und begann entschlossen loszustapfen. Am besten behielt ich Brian eine Weile im Auge. Dass Natou bei ihm hoch im Kurs stand, musste nicht das Ende der Geschichte bedeuten. Meine Schritte bekamen mehr Schwung, denn nun hatte ich einen Plan und war gewappnet.
Ein Deck tiefer lief ich fast Kapitän Troller und meiner Mutter in die Arme. Während Mum mit Händen und FüÃen redete, stand der Käptân verstört neben ihr und hörte zu, was sie sagte. Die beiden waren tatsächlich wie Feuer und Wasser.
Ich blieb stehen und beobachtete sie aus einiger Entfernung. Sollte ich Mum erlösen, indem ich auf sie zuging und sie nach etwas fragte? Bei der Gelegenheit könnte ich vielleicht doch noch etwas über ihren Streit in Erfahrung bringen.
Ich steuerte schon auf die beiden zu, als sich eine Hand fest auf meine Schulter legte. Erschrocken fuhr ich herum und sah geradewegs in Brians magnetisierende Augen.
»Hi, Katja!«, sagte er mit warmer Stimme. »Warum bist du vorhin so schnell abgehauen?«
Mir wurde sofort wieder flatterig zumute. So, als hätte ich seit Tagen nichts gegessen. »Ich wollte ⦠ich dachte ⦠ich musste wohin«, plapperte ich unüberlegt vor mich hin.
»Schade!«, bedauerte Brian. Mein Gestotter schien ihn nicht zu stören. »In der Crewbar gibt es fantastische Cocktails. Kannst du deinen Termin nicht verschieben und mich auf einen alkoholfreien Drink begleiten? Ein paar Leute vom Workshop stoÃen vielleicht dazu.«
»Natou auch?«, war das Erste, was ich wissen wollte.
Brian schüttelte den Kopf. »Die hat Verpflichtungen als Personal Trainer.«
Ich lebte merklich auf. Na also, hier bot sich eine Gelegenheit, Brian besser kennenzulernen. Und die würde ich nutzen. Ich warf einen letzten Blick auf Mum und den Käptân und entschloss mich, die beiden sich selbst zu überlassen.
»Ich glaube, zu meinem Termin kann ich später auch noch hin«, sagte ich so lässig wie möglich. Dabei schlug mir das Herz bis zum Hals.
Und so kam es, dass Brian und ich wenig später Karibik-Cocktails schlürften und uns ganz entspannt unterhielten. Von den anderen Workshop-Teilnehmern war weit und breit nichts zu sehen und das war mir auch ganz recht. Ich wollte Brian ganz für mich allein haben.
Bald lenkte ich das Gespräch von allgemeinen Themen geschickt auf die, die mich interessierten. Ich wollte so viel wie möglich über ihn und seine Familie wissen. Und über die Dance Company, die er in London leitete. Brian erzählte, dass sein Vater Engländer sei und als Ingenieur arbeitete und seine Mutter Deutsche, die sich dem Tierschutz verschrieben habe.
»Du sprichst also zwei Sprachen flieÃend«, stellte ich fest. In mir regten sich Bewunderung und leider auch eine Spur Neid. Ich dachte an die letzte Französisch-Klassenarbeit, die ich vermasselt hatte.
»Klar macht es vieles leichter, wenn man in verschiedenen Kulturen aufwächst«, bestätigte Brian. »Aber manchmal habe ich auch das Gefühl, nirgendwo richtig zu Hause zu sein, und versuche zu sehr, es allen recht zu machen. Ich will einfach immer mein Bestes geben, weiÃt du?« Er lächelte mich schief von der Seite an.
Mir fiel erneut Natous Schatten ein, vor dem ich vor nicht mal einer Stunde weggelaufen war. Wenn man wegrannte, hatte man nicht sein Bestes gegeben. BloÃ, wie stellte man sich seinen Ãngsten?
Brian erzählte von dem Angebot, eine Dance Company in London zu leiten, das er vor drei Jahren erhalten hatte, und dass seine Eltern ihn von Anfang an unterstützt hatten.
»Experimenteller Tanz bringt anfangs finanziell nicht viel ein, verlangt einem körperlich jedoch alles ab. Deshalb leite ich die Workshops hier an Bord. Es macht Spaà und ermöglicht mir, auf den Durchbruch
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