Herz ueber Bord
mit der Dance Company hinzuarbeiten, weil ich hier gut verdiene.«
»Klasse, dass deine Eltern dich unterstützen.«
Brian nickte. »Sie sind toll. Mum würde am liebsten jede Maus retten, die irgendwo herumrennt. Ein hoffnungsloser Fall von Tierliebe. Ich mag Tiere auch, bin aber weniger fanatisch als sie.« Er grinste, wurde dann aber ernst. »Ich bewundere ihre Hartnäckigkeit. Sie verdient sich viel Respekt mit dem, was sie tut.«
»Das tust du doch auch! Du leitest die Dance Company und dazu diese Workshops auf dem Kreuzfahrtschiff. Apropos Tiere.« Ich versuchte, das Gespräch in etwas weniger ernste Bahnen zu lenken. »Ich hab mal eine Maus im Käfig gehalten. Theodor, der Gute.«
Brian lachte. »Aha, und gibt es auÃer Theodor noch an dere Personen in eurem Haushalt?«, fragte er. Ich lieà mich nicht lange bitten und begann, von meinem Vater, von Mum, Inka und der Schule zu erzählen. Brian wollte es genau wissen, fragte oft nach. Bald entstand in mir das Gefühl, als bewegten wir uns ganz natürlich aufeinander zu.
Was mir an Brian imponierte, war, dass er mich nie glauben machen wollte, er sei allem gewachsen. Er zeigte sich selbstbewusst, das schon. Hatte aber auch kein Problem mit seinen Schwächen.
»Manchmal muss ich bis in die Nacht hinein ackern, obwohl Disziplin im Grunde nicht mein Ding ist«, vertraute er mir an.
»Echt?« Ich konnte kaum glauben, dass Brian ein Problem damit hatte.
»Nein, wirklich. Disziplin und Durchhaltevermögen musste ich mir erst antrainieren. Wenn ich freihab, fällt all das so-fort von mir ab. Ich bin ein hoffnungsloser Langschläfer und verpasse oft den halben Tag«, gab er freimütig zu.
Wie herrlich, juchzte ich innerlich. Brian liebte es, irgendwo abzuhängen und nichts zu tun. Genauso wie ich. Während er weitersprach, trommelte er mit seinen Fingern auf die Tischplatte. War er etwa nervös? Ich traute mich nicht, ihn danach zu fragen.
»Willst du meine schlimmste Macke wissen?« Ich nickte auffordernd. Brian holte tief Luft und sprach es dann aus. »Ich leide unter Duschzwang.«
Mir war gleich klar, dass das ein Witz sein sollte. Doch ich spielte mit und tat so, als nähme ich es ernst. »Ich fürchte, das muss ich erst mal verdauen«, entgegnete ich mit gespieltem Entsetzen.
Bald lieÃen wir uns die absurdesten Hobbys einfallen und amüsierten uns königlich dabei. Ich behauptete, seit meiner Kindergartenzeit Urlaubspostkarten aus den Briefkästen der Nachbarn stibitzt zu haben. »Ich hab jedes Mal einen saftigen Finderlohn kassiert.«
»So bessert man also clever sein Taschengeld auf«, grinste Brian.
Ich konnte kaum fassen, wie locker man sich mit ihm unterhalten konnte. Insgeheim stellte ich mir vor, wie ich Inka später in der Geborgenheit meiner kleinen Kabine alles über ihn anvertrauen würde. Angefangen bei seinem makellosen Aussehen, seiner offenen, witzig-selbstironischen Art, seinem groÃen Herz für Kinder und, last but not least, seiner Starqualität als Tänzer. Himmel noch mal, war das schön, seinen Traumtypen auf einer Karibik-Kreuzfahrt kennenzulernen. Kaum hatte ich das zu Ende gedacht, drängte sich ein weniger angenehmer Gedanke in mein Gehirn.
Das alles klang verdächtig nach kitschiger Schnulze oder Märchen. Und in jedem Märchen gab es das Böse, das es zu überwinden galt. Meine vorrangige Bedrohung hieÃ: Natou. Meine zweitrangige: Bis jetzt war nichts passiert, aus dem ich schlieÃen konnte, dass ich Brian wirklich gefiel.
Ich saà zwar mit ihm in der Crewbar. Doch von meinen verwirrenden Gefühlen mal abgesehen, gab es keinen emo tionalen Höhepunkt. Gehörte nicht wenigstens ein Kuss zu einer Schnulze? Ersatzweise eine Hand, die sich auf mein Knie legte. Oder wenigstens romantische Worte der Bewunderung. Keine Ahnung, was du fühlst, Katja, aber ich bin total in dich verschossen. Love at first sight. So siehtâs aus.
Filmende! Aufwachen, Katja! Die Märchenstunde ist vorbei. Fairy-tales gibtâs bis 10. Du bist 17 und definitiv zu alt und zu klug dafür.
Wenn man auf einen Jungen stand, allerdings keinen sehnsüchtig-verklärten Blick in seinem Gesicht ortete, musste man handeln. Gewöhnlich half fürs Erste ein Telefonat mit der besten Freundin. Was in meinem Fall leider nicht drin war, weil Inka wahrscheinlich gerade tief und fest schlief. Also
Weitere Kostenlose Bücher