Herz ueber Bord
über den Ablauf auf. »Wir fangen ganz easy an. Jeder bewegt sich zu Time of my life . Und zwar so, wie er es möchte. Wir fühlen unseren Körper, wir werden eins mit der Musik, eins mit der Story. Später werde ich euch anleiten. Werde euch auf eure Muskeln aufmerksam machen. Der Tanz wird euch zeigen, wer ihr seid. Und er wird euch zeigen, wer ihr sein könnt.«
Ein Raunen ging durch die Menge. Brian fasste die Story des Films zusammen. Er schaffte es, in wenigen Sätzen die wichtigsten Szenen hervorzuheben, und arbeitete jede Emotion heraus. »Wenn ihr gut genug seid, führen wir am Ende der Reise etwas aus Dirty Dancing auf«, sagte er zum Abschluss.
Mein Herz schlug höher.
»Oh nein«, hörte ich Friederike neben mir flüstern. »Ich hab schlimmes Lampenfieber, seit ich denken kann. Wenn ich nur was von einer Aufführung höre, wird mir schon schlecht.«
»Davon, dass wir auftreten sollen, hab ich auch nichts gewusst«, erwiderte ich. »Aber ich bin zu dem Workshop ja auch wie zum Handkuss gekommen.«
Unter den Teilnehmern setzte leises Nuscheln ein.
»Sind alle damit einverstanden? Oder gibt es Fragen?« Brian sah sich um und natürlich gab es sofort Einwände.
»Von einer Aufführung war bei der Anmeldung nicht die Rede.«
»Ich weià nicht, ob ich mich dadurch überfordert fühle.«
»Ich würde gern mitmachen, allerdings ohne bei der Aufführung dabei zu sein.« So ging es weiter.
Brian schien mit etwas Ãhnlichem gerechnet zu haben. Jedenfalls war er die Ruhe selbst, als er uns klarmachte, worauf es ankam.
»Es geht nicht um Perfektion. Okay?« Er machte eine Pause und hakte noch einmal nach: »Okay?«
Verhaltenes Nicken.
»Es geht um SpaÃ, Bewegung, Rhythmus, Ausdruck.«
»Ich fühle mich innerlich immer so beengt, wenn mir jemand beim Tanzen zuschaut. Sehr unsicher«, vertraute Friederike Brian an. Sie hatte rote Haare und Sommersprossen und sah in dem Moment sehr niedlich aus. Vielleicht ein bisschen verschreckt, aber süÃ.
Brian kam auf sie zu. »Darf ich?«, fragte er.
Friederike brachte ein zaghaftes Nicken zustande. Brian zögerte keinen Moment. Er legte seine Hände auf ihre Hüften und begann sich mit ihr gemeinsam hin und her zu bewegen. Es waren einfache Schritte, kinderleicht. Vor, zurück, vor, zurück. Brian summte leise Time of my life , vor sich hin, während er sie führte. Wir hingen mit unseren Blicken an den beiden.
Wie gern hätte ich mit Friederike getauscht und Brians Hände auf mir gespürt. Ich sah schon vor mir, wie seine Arme mich umschlagen und ich mich ihm anvertraute.
»Wie fühlst du dich? Alle haben uns zugesehen«, fragte Brian, nachdem er und Friederike aufgehört hatten zu tanzen. Seine Stimme holte mich in die Wirklichkeit zurück.
Ich sah, dass Friederike rot anlief. »Es ging alles so schnell. Ich hatte keine Zeit, mir vorzustellen, was die anderen den-ken könnten.« Friederike nuschelte ein wenig und ihr Blick war zurückhaltend.
»Gut so!« Brian schenkte ihr sein schönstes Lächeln. »Bist du schüchtern?«
Friederike schnaufte und nickte dann. »Ja, leider! Zumindest, wenn ich mich von allen beobachtet fühle.«
»Perfekt!«, sagte Brian.
Friederike starrte ihn an. »Wieso ist es perfekt, schüchtern zu sein?«
»Sei du selbst, das ist alles. Du darfst du sein. Keine Perfektion, nur du. Denn wenn du du bist und deine Emotionen lebst, hilft dir das, zu deinem Tanz zu finden.« Brian sprang mit einem eleganten Satz auf die Bühne und referierte dort weiter. »Schüchtern zu sein, ist nicht allmächtig. Es macht uns manchmal zwar ohnmächtig, aber nur, weil wir Angst davor haben, schüchtern zu sein. Lass es zu. Was kann dir schon passieren?«
Er blickte Friederike an, und ich sah, dass sie sich entspannte. Ihre Schultern waren nicht mehr so unnatürlich hochgezogen.
»Auch Zorn und Wut sind gut. Der Tanz braucht diese Gefühle. Wenn wir Zorn zulassen, Wut, Angst, Schüchternheit, wandelt sich das früher oder später in Ausgelassenheit. Durchs Tanzen. Lasst es uns versuchen. Ihr müsst es erleben, um es zu begreifen.«
Ich starrte Brian nun mit unverhüllter Neugier an, während seine Stimme durch den Raum donnerte und alles an seinem Körper Kraft, Ruhe und Wohlbefinden ausdrückte.
Ich selbst spürte
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