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Herz und Fuß

Herz und Fuß

Titel: Herz und Fuß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Bax
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an. »Dann stört es dich nicht, dass sie bald heiratet?«
     
    »Warum sollte sie nicht heiraten, es war ja nichts zwischen uns.« Ich sah Irenes Mund auf meinem liegen, sah uns erwachen mitten in der Nacht, ineinander gefügt wie zwei perfekte Puzzleteile, und das luftlose Gummiherz in meiner Brust quietschte leise.
     
    »Wenn du das sagst.« Sie glaubte mir nicht.
     
    »Ja, ich sage das!« Meine Stimme klang jetzt auch härter, aber weniger nach Kohle als nach Pressspan.
     
    »Ich wünschte, wir könnten über alles reden.« ErzEngel drückte mich fest an sich und meine Sprachlosigkeit machte mich traurig, weil ich bei einem kurzen Blick in ihre Augen sehen konnte, wie traurig sie sie machte.
     

Falls ich mich jemals gefragt hatte,
     
    mit welchem Geräusch das Chaos beginnen wird, hatte ich meine Antwort vergessen. Wahrscheinlich hatte ich auf Knall getippt. Auf einen sehr lauten, donnernden Knall, der alles erschütterte, oder tönende Posaunen, deren Dröhnen die Trommelfelle schmerzhaft schwingen ließ. Was mir wieder einmal zeigte, dass ich in meiner Vorstellungswelt immer noch zwischen Wissenschaft und Religion festhing.
     
    Worauf ich aber weder mit Quantenphysik noch mit Psalmenstudium gekommen wäre, war, dass die Apokalypse nicht knallte und auch keine Blechinstrumente beherrschte. Den Anfang vom Ende signalisierte das Geräusch, das eine Nutellatorte machte, wenn man sie auf den Küchenboden fallen ließ. Es war zwar kein friedliches Geräusch, das nichts von dem, was es ankündigte, ahnen ließ, denn es war ein kleines, böses »Woaatsch«, so als hätte man eine sehr große Kröte überfahren. Aber es ließ alles Schrille, Warnende vermissen und deshalb wirkte es auf mich im ersten Moment nicht wirklich alarmierend. Es war früh am Morgen, einem Mittwochmorgen, der mein freier Tag war, und ich kam gerade mit einer Packung H-Milch aus dem Keller, als ich es vernahm. Wäre ich oben in meiner Wohnung gewesen, hätte ich es mit großer Wahrscheinlichkeit gar nicht gehört. Dann hätte der Schrecken für mich vielleicht erst nach einem sorgfältig geschäumten Milchkaffee und mit einem anderen Geräusch angefangen. Oder ganz geräuschlos, nur mit ErzEngels aufgeregtem Gesicht und den Tränen von Rose-Lotte Stein.
     
    »Was ist passiert?« Ich schaute zwischen meiner Mutter, der Tortenmatsche und Rose-Lotte hin und her. Rose-Lotte griff nach ErzEngels Hand und schüttelte wild den Kopf, aus ihrer Kehle drangen tiefe, unglückliche Laute. Ich stellte die H-Milch auf den Tisch.
     
    »Das ist doch kein Problem.« Ich deutete auf den braunen Haufen, der sich träge ausdehnte. »Ich hole jetzt eine Kelle und eine Schüssel und dann retten wir, was zu retten ist. Da kann man bestimmt noch etwas von essen.« Der Gedanke drehte mir den nüchternen Magen um, aber das würde ich die aufgelöste alte Frau nicht wissen lassen.
     
    »Es ist nicht der Kuchen.« ErzEngel war blass und ihre Gesichtszüge waren angestrengt, so als hätte sie Schmerzen. Sie drückte die unglückliche Bäckerin in einen Stuhl und legte ihr die Hände auf die Schulter. »Rose-Lotte, wir brauchen ihre Hilfe. Du brauchst ihre Hilfe! Das schaffen wir nicht mehr allein!«
     
    Ob Frau Stein unter dem Druck der beiden entschlossenen Hände oder unter der Ausweglosigkeit der Situation zusammenbrach, kann ich nicht sagen, aber schließlich hörte ich sie zum ersten Mal sprechen und ihre Sprechstimme verriet, dass sie nicht oder nur wenig hörte. »werwel eh ii.«
     
    »Das tue ich, ich erzähle es ihr. Und wir helfen dir, glaub mir!« Meine Mutter verstand die undeutlichen Laute besser als ich, die sie erst im Nachhinein verstand. Erzähl es ihr, hatte Rose-Lotte gesagt.
     
    »Erzähl mir was?« Ich sah meine Mutter misstrauisch an, denn ich fühlte plötzlich zu deutlich, dass es in diesem Moment um mehr als Torten ging.
     
    »Die zweite Kühltruhe ist ausgefallen.«
     

Einen winzigen Augenblick lang
     
    war ich erleichtert, hier ging es nicht um Leben und Tod, hier ging es nur um die Haushaltsgeräte einer alten Dame, die niemanden hatte, der ihr solche Dinge reparierte, und der das Geld fehlte, etwas Neues zu kaufen. Das würden wir gemeinsam hinbekommen, kein Problem. Beide starrten mich an, als warteten sie darauf, dass bei mir ein Groschen fiel. Ich starrte zurück. Bei mir fiel kein Groschen, was sicherlich daran lag, dass es den ja gar nicht mehr gab und ich eine moderne Frau war. Bei mir fiel aber auch kein Euro, es fiel

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