Herz und Fuß
meinen Kopf an.
Ich entwand mich ihrem Griff und wickelte den schönen Topf mit Insel-Honig, den sie mir mitgebracht hatte, aus. »Das ist handelsübliche Wandfarbe, gut abdeckend für innen.«
Baby seufzte. »Und wie heißt der Farbton? Blutbad?«
»Persisch rot.« Ich öffnete den Umschlag, den Baby mir mit dem Honig überreicht hatte.
»Das heißt dann wohl, dass sie nicht angerufen hat?«
Auf der Karte, die Baby beigelegt hatte, stand groß in schwarz auf gelb: Dip me in honey and throw me to the lesbians! Baby hatte auf die Rückseite geschrieben: Mit lesbischen Honig sollte das noch ein wenig besser gehen. Ich musste lächeln und sagte: »Doch, sie hat angerufen, aber da war die Wand schon fertig.«
»Und?« Sie ließ sich genau an der Stelle auf mein Sofa fallen, auf der ich mit Irene gesessen hatte. Das tat grundlos weh und ich stellte mich absichtlich stur.
»Und die rote Wand gefällt mir gut.«
Baby zog mich an der Hand zu sich auf die Couch und drückte mich fest an sich.
»Rot ist die klassische Warnfarbe. Sie erhielt in den meisten Sprachen sehr früh ein eigenes Wort, gleich nach der sprachlichen Unterscheidung von Hell und Dunkel.« Sie strich mir über die Haare. »Was hat sie gesagt?«
»Sie war gestern hier. Wir sind zum Gasometer gefahren. Sie will mich nicht mehr sehen. Und sie will heiraten.«
Babys Hände massierten mir mit liebevollem Druck die Kopfhaut und ich schloss die Augen. »Und das hat sie dir am Gasometer erklärt?«
»Ja, sie hat mich dorthin gefahren und mir dann klargemacht, was sie nicht will.«
»Interessant. Und jetzt schauen wir also passenderweise statt auf vergessene Kälte auf lebendige Hitze.«
»Wenn du das so sehen möchtest.« Ich genoss die kleine Gänsehaut, die von meinem Kopf über den Nacken den Rücken hinunterfuhr. Baby antwortete nicht mehr, sondern widmete sich der Mission, mich auf andere Gedanken zu bringen, und erzählte sehr detailliert von ihren Erlebnissen auf der Insel. So einfach konnte das sein. Keine grünen Füße, keine verheirateten Frauen, nur Sonne, Sand und knusprige Lesben in sportlicher Badebekleidung. Ich sah Irene in ihrem schwarzen Slip neben mir liegen und meine Fantasien bekamen ein körperliches Echo, das nicht ganz Erregung und nicht ganz Sehnsucht war.
Eine Stunde lagen wir so friedlich auf dem Sofa, bis Baby sagte: »Erzählst du mir, wie es deiner Mutter geht?«
Ich riss mich aus meinen Träumen und erzählte ihr von ErzEngels Zustand.
»Das klingt doch gut! Komm, wir gehen sie besuchen!«
Als wir die Tür zum Krankenzimmer öffneten, saß meine Mutter aufrecht im Bett und sah fern.
»Mutti, das ist Baby, meine beste Freundin.«
Meine Mutter drückte Baby die Hand und sagte fröhlich: »So lange war sie ja nicht im Urlaub, dass du sie mir neu vorstellen musst.«
»Entschuldige.«
Sie nickte gnädig. Heute waren ihre Zöpfe wieder ordentlich geflochten und sie trug eines der Nachthemden, die ich ihr mitgebracht hatte. Sie verwickelte Baby in ein längeres Gespräch und hätte sie nicht in der krankenhausweißen Bettwäsche gelegen, wäre das als ein ganz normales der vielen lustigen Wortgefechte zwischen den beiden durchgegangen. Ich hörte ihnen mit einem Ohr zu und schaute zum hundertsten Mal an diesem Tag zufällig auf das Handy. Nichts. Ich drückte ein paar Tasten, damit sich etwas veränderte und beschloss, mir ein neues zu kaufen. Vielleicht würde ein moderneres Handy Irenes Anruf schneller wahrnehmen.
»Was ist mit ihr?« Meine Mutter wandte sich in einer Art Theaterflüstern hinter demonstrativ vorgehaltener Hand an Baby. Sie sprach dabei absichtlich so laut, dass sie selbst in einem Theater auch in der letzten Reihe zu verstehen gewesen wäre. Beide sahen mich und das Handy, das ich traurig in der Hand hielt, mitleidig an.
»Liebeskummer«, flüsterte Baby in der gleichen Lautstärke zurück.
»Ich hatte es befürchtet.« ErzEngel gab das Flüstern auf und sprach mich direkt an. »Irene?«
Ich zuckte hilflos mit den Schultern.
»Wird Zeit, dass ich hier raus komme und mich wieder um alles kümmern kann!« ErzEngel griff nach meiner Hand und drückte sie fest.
»Sie kann sich um gar nichts kümmern,
wie läuft sie denn rum?«
Heiner konnte es nicht fassen, dass seine Mutter nach nur einer Woche im Krankenhaus wieder in ihrem Garten nach Schädlingen suchte. Ich hatte ihr eine
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