Herzbesetzer (German Edition)
gestehe ich beschämt.
Er guckt mich an, als wäre ich nicht ganz dicht. »Ist ja ’n Vermögen für eine Woche«, sagt er spöttisch.
Ich stütze den Kopf in beide Hände und starre auf meinen Teller. Anoki schiebt seinen Stuhl nach hinten, steht auf und geht in den Flur. Für einen wahnwitzigen Moment denke ich, er haut einfach ab – bei mir gibt’s ja nichts mehr zu holen. Ein Gedanke, für den ich mich kurz darauf in Grund und Boden schämen werde. Denn er kramt an seinem feuerroten Rucksack herum, dann kommt er zurück und legt einen hübschen, glatten Hunderter neben meinen Teller.
»Anzahlung«, sagt er. »Rest kommt noch.«
Ich brauche mehrere Sekunden, bis ich mich von meiner Querschnittslähmung erholt habe. »Wie? Was – woher … wie jetzt?«
Anoki widmet sich längst wieder der Nahrungszufuhr. »Du hast mir doch Geld geliehen, für die Brüder von Nick«, schmatzt er. »Kriegst du jetzt wieder.«
Ich kann meine Augen gar nicht von dem Geldschein lösen, als könne er mir sein Geheimnis selbst erzählen. »Aber du hast doch … wie … woher …?«
»Mann, jetzt quatsch doch nicht so viel«, sagt Anoki genervt. »Pack mal ein, sonst kommt der noch weg.« Er macht eine auffordernde Geste mit dem Kinn. Langsam und ungläubig ziehe ich mein Portemonnaie aus der Hosentasche und schiebe den Hunderter sorgfältig hinein. »Aber das kann ich nicht annehmen«, fällt mir ein. »Das war doch gar nicht geliehen! Das hab ich dir … geschenkt!«
»Ach so«, sagt Anoki ruhig. »Na, dann gib wieder her.«
Er streckt die Hand aus und wedelt mit den Fingern. Ich ziehe den Schein sofort wieder hervor und gebe ihn ihm zurück. Da fängt Anoki an zu lachen – dieses ansteckende, bezaubernde Lachen, für das ich ihn jedes Mal anbete. Je verwirrter ich gucke, desto lauter lacht er. Er steht auf, nimmt mir das Portemonnaie aus der Hand, steckt den Geldschein wieder rein und stopft mir die Börse dann halb gewaltsam in die Hosentasche, was nicht leicht ist, da ich schon wieder wie gelähmt auf meinem Stuhl sitze. Dabei gluckst er die ganze Zeit vor sich hin. Es ist unmöglich, nicht mitzulachen. Obwohl ich keine Ahnung habe, was hier abgeht, obwohl ich kein Geld von Anoki annehmen möchte, schon gar nicht so viel, und obwohl ich nicht weiß, was überhaupt an der ganzen Sache lustig sein soll, pruste und kichere ich minutenlang genauso wie er. Ganz langsam ebbt unser Gelächter ab, bricht nur noch gelegentlich in einem kleinen Gackern wieder durch, und Anoki isst weiter, nach wie vor vergnügt schmunzelnd. Und ich fange an, mir Gedanken zu machen.
Es ist nicht das erste Mal, dass er sich als überraschend wohlhabend erweist. Auch ohne meine Zuschüsse hat er sich allerhand gekauft, seit er bei uns wohnt, und das meiste davon war schweineteuer. Ich weiß, dass er sich ein bisschen Geld mit dem Vertrieb meiner Ab-achtzehn-DVD und dieser Pillen verschafft hat, und ich vermute, dass er für Nicks Brüder Drogen vertickt hat … und welche Einnahmequellen könnte er noch haben? Bisher wollte ich das nicht wissen. Ich hab es hingenommen und versucht, nicht darüber nachzudenken. Aber wenn es nun schon so weit ist, dass er mich mit diesem dubiosen Geld über Wasser halten muss, sollte ich wenigstens wissen, woher es kommt, oder? Ich sammle mich, damit ich nicht wieder loskichere. Dann frage ich: »Woher hast du denn das Geld?«
Dabei bemühe ich mich um eine ernste bis strenge Miene.
Anoki blickt hoch, nach wie vor lächelnd. »Selbst gedruckt«, sagt er.
So eine Antwort hatte ich befürchtet. »Nee, jetzt mal ohne Scheiß«, dränge ich ungeduldig. »Das ist jetzt nicht mehr lustig, Königstiger.«
Er schiebt sich einen großen Löffel Cornflakes mit Milch in den Mund und lässt sich Zeit mit der Antwort.
»An Geld ist eigentlich gar nichts lustig«, philosophiert er dann. »Das einzig Lustige daran ist das Ausgeben. Kann es sein, mein ich. Man kann natürlich auch Klopapier und Hustenbonbons davon kaufen. Aber das muss ja jeder selber wissen. Ich persönlich mach ja lieber lustigere Sachen mit Geld. Übrigens kann man da auch nette Schiffchen draus falten. Oder man kann Röhrchen draus drehen und die dann zum Schnupfen benutzen. Hast du eigentlich gewusst, dass auf achtundneunzig Prozent aller Geldscheine Spuren von Kokain sind? Ich frag mich immer …«
»Anoki!«, unterbreche ich ihn und ärgere mich zum hundertsten Mal darüber, dass man diesen verfluchten Perserkätzchennamen unmöglich streng und böse
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