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Herzbesetzer (German Edition)

Herzbesetzer (German Edition)

Titel: Herzbesetzer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.A. Wegberg
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aussprechen kann. Selbst wenn man ihn brüllt, klingt er noch wie eine Liebkosung.
    »Woher hast du das Geld?!«
    Er guckt beleidigt. »Gespart«, sagt er dann mit einer Betonung, als sei das doch wohl total klar.

 
 
 
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    Also gut. Ist ja auch egal. Nun bin ich also nicht nur – trotz einer hübschen, lieben, intelligenten und verständnisvollen Frau an meiner Seite – pervers scharf auf einen Vierzehnjährigen, sondern lasse mich auch noch von ihm aushalten – mit Geld, das er durch kriminelle Machenschaften ergaunert hat. Passt doch, oder? Immer wenn man meint, man könne nicht mehr tiefer sinken, tut sich ein neues Loch im Sumpf auf. Was täte ich bloß ohne meine Zauberpillen? Da müsste ich ja ernsthaft über mein Leben nachdenken und die einzig möglichen Konsequenzen ziehen! Stattdessen schlucke ich noch eine und freue mich, dass ich diesen unwirklich schönen und weitgehend ahnungslosen Knaben jetzt beinahe ganz für mich allein habe, nachdem meine Mutter das Feld geräumt und mein Vater kapituliert hat. Und für die Tage, an denen ich mich nicht am klassischen Schwung seiner vollen Lippen berauschen kann, steht immer noch Judith parat, die ich zwar nicht ganz mit demselben Wahnsinn liebe, die dafür aber alles mitmacht. Bah – ich bin zum Kotzen. Und ich weiß es. Aber es stört mich nicht allzu sehr.
    Anoki stört es auch nicht. Er ist so anhänglich und lieb, wie ich es mir nur wünschen kann. Zunächst hilft er unaufgefordert, den Tisch abzuräumen, dann geht er in den Keller, nimmt die trockene Wäsche von der Leine und füllt die Waschmaschine neu, und dann schrubbt er noch die Dusche, das Waschbecken und sogar das Klo. Ich erfülle in dieser Zeit auch ein paar Haushaltspflichten. Als alles erledigt ist und die Wohnung so sauber und aufgeräumt aussieht, als würde sie von zwei alten Stiftsfräulein bewohnt, stellt Anoki die unvermeidliche Frage: »Was machen wir heute?«
    Immer wenn er das sagt, kommt es mir vor, als seien seine Augen Kinoleinwände, auf denen bereits eine Preview läuft: Kauforgien in mehrstöckigen Shoppingmalls, diverse Funsportarten bis zur restlosen Erschöpfung, wilde Exzesse in illegalen Clubs, hemmungslose Besäufnisse bei unaussprechlichen Pornovideos. So oder ähnlich sieht sein Traum von einem Samstag in Berlin aus.
    Die Realität dagegen ist diese: »Ähm, wir könnten einen schönen Spaziergang durch den Grunewald machen.« Der kostet wenigstens nichts.
    Anoki sieht etwas bekümmert aus, als ich das sage. Dann hellt sich seine Miene auf. »Ich hab meine Inliner mit«, sagt er. »Lass uns doch irgend’ne schöne Tour machen.«
    Gut. Das ist zwar deutlich anstrengender, aber ebenfalls kostenfrei, also gebe ich mein Einverständnis, und wenig später sausen wir bereits rund um den Störitzsee. Es ist nicht leicht, mit Anokis Tempo Schritt zu halten, besonders wenn man – anders als er – Rücksicht auf Fußgänger, Radfahrer, Hunde und querende Autos nimmt, aber irgendwie schaffe ich es, fast gleichzeitig mit ihm wieder am Ausgangspunkt einzutreffen, wenn auch vollkommen ausgepumpt und mit den Nerven am Ende. Im Gegensatz dazu sieht Anoki zutiefst befriedigt aus, als hätte er gerade genial guten Sex gehabt. (Diese Variante hätte ich entschieden bevorzugt.) Er schwitzt nicht mal nachhaltig. Und stellt tatsächlich, kaum dass er die Inliner im Kofferraum verstaut hat, die Frage: »Und was machen wir jetzt?«
    Ich gebe nur noch schwache Lebenszeichen von mir, aber es reicht aus, um zu keuchen: »Brauch jetzt erst mal ’ne Pause.«
    Demütigend verständnisvoll legt mein Pfleger die Hand auf meine Schulter. »Ja, klar. Fahren wir erst mal nach Hause.« 
    Unnötig zu erwähnen, dass ich dort umgehend auf die Couch sinke und in Tiefschlaf falle. Obwohl ich mich diesmal schon nach einer knappen Stunde wieder gewaltsam an die Oberfläche meines Bewusstseins zurückkämpfe, ist Anoki wie üblich verschwunden, als ich wach werde. Ich unterdrücke einen scharfen Stich der Enttäuschung. Scharf im doppelten Sinne, weil ich unmittelbar vor dem Aufwachen einen wunderschönen Traum hatte, den ich gerne unverzüglich auszugsweise nachgespielt hätte. Nur die halbwegs jugendfreien Passagen natürlich. Aber das muss ich vertagen – Anoki ist wahrscheinlich wieder auf Beutezug durch irgendwelche Konsumarkaden und hat was Besseres zu tun, als den abartigen Fantasien seines bankrotten Bruders Leben zu verleihen. Frustriert setze ich mich mit meinem Kaffeebecher an den Laptop.

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