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Herzbesetzer (German Edition)

Herzbesetzer (German Edition)

Titel: Herzbesetzer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.A. Wegberg
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schläfst auch, sonst kriegst du Prügel. Wenn du danach immer noch Kopfschmerzen hast, bring ich dich zum Abdecker.«
    »Was ist das denn? Klingt irgendwie versaut«, meint Anoki.
    »Tja – ich fürchte, du wirst ein bisschen enttäuscht sein«, erwidere ich gähnend und lasse mich auf mein Bett fallen.
    Ich erwache, weil ein köstlicher Duft meine Nase streichelt. Neugierig öffne ich die Augen. Anoki hat sein Krankenlager verlassen und klappert in der Küche herum. Das gibt’s doch nicht – er kocht! Oder so was Ähnliches jedenfalls. Er hat zwei Tiefkühlpizzen im Ofen, und auf der Arbeitsfläche müht er sich gerade mit dem Kleinschneiden einer Tomate ab, die wohl zu einem Salat beitragen soll. Als er mich im Türrahmen lehnen sieht, blickt er kurz hoch und lächelt, dann arbeitet er konzentriert weiter.
    »Das ist das Brotmesser, Liebchen«, sage ich amüsiert. Er hält inne und starrt sein unzweckmäßiges Werkzeug fragend an, dann fängt er an zu lachen.
     
    »Was macht dein Kopf?«, frage ich, nachdem ich den ersten Bissen meiner nur minimal angebrannten Pizza runtergeschluckt habe.
    »Hohl wie immer«, zwinkert Anoki. Gott sei Dank! Er ist wieder der Alte.
    »Na, da bin ich ja froh«, necke ich ihn. »Hab schon Angst gehabt, durch den Sturz wäre dein Gehirn in Gang gesetzt worden.«
    »Mein was?«, sagt Anoki mit der Mimik eines Dorftrottels. Ach, er ist so … so unglaublich … hübsch, und humorvoll, und lieb, und anziehend, und … ach …
    »Iss weiter«, befiehlt Anoki und deutet mit dem Messer auf meine Pizza, »wird ja kalt.«
    Verlegen senke ich den Blick und gehorche.
    Ich habe freiwillig, klaglos und ganz alleine den Tisch abgeräumt, das Geschirr abgewaschen und das Schlachtfeld wieder in eine Küche zurückverwandelt. Jetzt lasse ich mich demonstrativ ächzend wie ein alter Mann auf die Couch fallen und schalte den Fernseher ein. Anoki guckt mich an und zieht die Augenbrauen hoch, ich reagiere nicht. Er räuspert sich, ich gehe nicht darauf ein. Schließlich sagt er: »Ist erst halb drei.«
    Mit einiger Verzögerung wende ich den Kopf in seine Richtung und sage: »Na und?«
    »Ja, ähm … Willst du jetzt echt Fernsehen gucken?«
    »Allerdings«, entgegne ich sehr nachdrücklich und ohne mein Amüsement zu zeigen. »Ich werde heute keinen einzigen Schritt mehr gehen, außer vielleicht zur Toilette. Übrigens: Du könntest mir mal ein Glas Cola holen.« Zu meiner Überraschung tut er das tatsächlich, obwohl ich nur einen Witz machen wollte. Er bringt sich selbst auch eins mit und setzt sich neben mich. Mit einem ergebenen Seufzer legt er seine ringelbestrumpften Füße neben meine auf den Couchtisch und starrt skeptisch auf den Bildschirm.
    Geduld ist keine von Anokis Stärken. Nach zwei Minuten wird er zappelig, nach zweieinhalb fängt er an, mich zu nerven, indem er auf der Couch auf- und abhüpft, nach vier Minuten legt er bittend den Kopf an meine Schulter und starrt mich aus wenigen Zentimetern Entfernung an. Niemand, wirklich niemand könnte da widerstehen.
    »Was ist?«, knurre ich gespielt unwillig.
    »Das ist so langweilig«, stöhnt Anoki. »Können wir nicht irgendwas machen?«
»Wir machen doch irgendwas«, sage ich boshaft.
    Er sucht eine Weile nach einer Antwort. »Ich mein was Interessantes«, erklärt er dann.
    »Nee«, erwidere ich unnachgiebig, »was du interessant findest, ist entweder gesundheitsschädlich oder zu anstrengend. Jetzt bin ich mal dran.« Ich recke mich behaglich und kuschle mich in meine Sofaecke. Anokis Mimik wechselt von flehend zu verstockt, aber da ich nicht reagiere, gibt er auch das schließlich auf und fängt an, ziellos in der Wohnung herumzulaufen. Am Ende schnappt er sich mit Todesverachtung sein Textbuch und lässt sich demonstrativ genervt in den Sessel fallen. Mag sein, dass das für ihn eine Qual ist – aber Strafe muss sein.
    Irgendwann wird sogar mir das Fernsehen zu langweilig. Ich beobachte Anoki unbemerkt sehr lange, wie er liest: mit angestrengt gerunzelter Stirn und manchmal lautlos die Lippen bewegend. So wie Menschen eben lesen, die nicht daran gewöhnt sind. Jeder andere würde damit ein Gefühl der Überlegenheit oder sogar Verachtung in mir wecken; bei Anoki bin ich einfach nur betört. Ich denke darüber nach, warum mir an ihm Sachen gefallen, die mich bei anderen Menschen wütend machen, abstoßen oder nerven, finde aber keine befriedigende Antwort, außer dass er eben meine ganz große Liebe ist, was ich nicht wahrhaben will

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