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Herzbesetzer (German Edition)

Herzbesetzer (German Edition)

Titel: Herzbesetzer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.A. Wegberg
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Bänke aufzustellen, mit Katalytöfen für Wärme zu sorgen, Geschirr und Besteck hinzubringen und eine Musikanlage aufzubauen. Ich sorge dafür, dass Anoki ihm dabei hilft, in der Hoffnung, dass die beiden sich bei der Gelegenheit besser kennenlernen. Dafür gehe ich meiner Mutter in der Küche zur Hand.
    »Du hast doch ein bisschen Einfluss auf Anoki«, sagt meine Mutter, während sie die hart gekochten Eihälften mit Mayonnaise aus der Spritztülle verziert, »kannst du nicht dafür sorgen, dass er sich für die Party mal ein bisschen« – sie räuspert sich – »vorzeigbar anzieht?« Vorzeigbar! Was soll das denn heißen?
    »Du meinst, dass man sich nicht für ihn schämen muss?«, frage ich. Ich bin neuerdings ein bisschen empfindlich, was Anoki angeht. Ist er nicht in Ordnung so, wie er ist? Warum hat sie dann nicht ein angepasstes, unauffälliges Kind mit Seitenscheitel und Konfirmationsanzug genommen?
    »So mein ich das natürlich nicht«, sagt meine Mutter, »aber du weißt doch, wie er manchmal rumläuft. Mit diesen ganzen Anstecknadeln mit den unanständigen Sprüchen. Und diese Lederteile mit den Stacheln drauf. Das kann er doch vielleicht mal einen Abend lang weglassen, findest du nicht?« Ich beschäftige mich eine Weile mit dem subversiven Plan, ihn stattdessen für die Silvesterfeier so richtig krass rauszuputzen, mit Sicherheitsnadel im Ohr, Totenkopf-Bandana, Fahrradketten und meinetwegen auch schwarzem Nagellack. Dann sage ich gehorsam: »Ja, ich seh mal, was ich bei ihm erreichen kann.«
    Nach diesem ersten Erfolg fragt meine Mutter weiter: »Ach, sag mal – diese Turnschuhe in Anokis Zimmer. Hast du ihm die gekauft?«
    Mir steigt eine unangenehme Hitze ins Gesicht, und ich beuge mich tiefer über das Schneidbrett, auf dem ich die Gurken hacke. »Ja. Wieso?«, frage ich unschuldig.
    »Nur so«, erklärt sie. »Die sind mir einfach aufgefallen, weil sie nagelneu waren.« Nach einer Pause fügt sie hinzu: »Das war aber wirklich nett von dir.« Ich will die kleingehackten Gurken in die Schüssel für den Nudelsalat geben, aber die Hälfte rutscht daneben.
    Als Anoki und mein Vater nach Hause kommen, sieht man, dass sie sich nähergekommen sind. Offensichtlich hat Anoki sich recht geschickt angestellt; etwas, das meinen Vater immer überzeugt. Eine Andeutung von Stolz liegt in dem Blick, mit dem er Anoki nachsieht, der die Treppe hoch in sein Zimmer verschwindet. Dann setzt er sich zu uns in die Küche und nascht von den Mozzarellakügelchen, die meine Mutter gerade mit Cocktailomaten und frischem Basilikum auf einer Platte anrichtet.
    »Anpacken kann er ja, das muss man ihm lassen«, berichtet er. »Der hat ganz schön Kraft für sein Alter. Sieht er gar nicht nach aus.«
    Meine Mutter leuchtet vor Freude auf. Für einen kurzen Moment fühle ich mich wieder wie früher als Kind, mit beiden Eltern in der Küche, und oben ist Benjamin in seinem Zimmer, und »wir Großen« reden wohlwollend über ihn. In diesem Augenblick kann ich verstehen, warum meine Mutter diese ganze Irrsinnsaktion mit Anoki auf sich genommen hat. Ich weiß, was sie vermisst, was ihr fehlt, wonach sie sich verzweifelt sehnt, denn mir geht es genauso.
    Mein Anteil an der Produktion von Nahrungsmitteln ist erbracht; jetzt muss ich wieder babysitten. Meine Mission lautet also: Anoki vorzeigbar machen. Ich gehe ihn erst mal schocken, um mich in Stimmung zu bringen. Satanisch grinsend klopfe ich bei ihm an. Er liegt auf dem Bett, raucht und fummelt an meinem Gameboy herum.
    »Also, hör zu«, sage ich, »meine Eltern möchten, dass du heute Abend ein bisschen familientauglich aussiehst, und deshalb werde ich dir jetzt die Haare schneiden.« Er stößt einen Schrei des Entsetzens aus, und die Panik in seinem Blick ist vollkommen echt. Mit einem bewundernswerten Hechtsprung flankt er aus dem Bett und weicht vor mir zurück – vor mir und der großen Küchenschere in meiner Hand. »Komm schon, stell dich nicht so an«, sage ich ungeduldig, »es tut doch nicht weh!« Ich weide mich an seiner Verzweiflung und mache ein paar halbherzige Versuche, ihn einzufangen, dann kann ich das Lachen nicht länger zurückhalten.
    Als er merkt, dass ich ihn verarscht habe, wird er mordsmäßig wütend und schleudert sein Kissen sowie seinen Panther nach mir. Ich lege die Schere weg, ehe einer von uns sie sich in die Weichteile rammt, dann mache ich einen Schritt auf ihn zu, umfasse beinahe die gesamte Fülle seiner Dreadlocks und fixiere auf diese

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