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Herzbesetzer (German Edition)

Herzbesetzer (German Edition)

Titel: Herzbesetzer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.A. Wegberg
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Hause komme«, erklärt mein finanzieller Ruin mir kauend. »Erst wollten die nicht, aber dann haben die sich auch was vorgenommen. Die sind jetzt zu irgend’ner Cousine oder so nach Magdeburg gefahren.«
    Ich bin so müde, dass mir die Bedeutung dieser beiläufig dahergeschmatzten Worte zunächst nicht klar wird. Dann verschlucke ich mich an meinem Filet-o-Fish und brülle hustend: »Wie bitte?«
    Anoki klopft mir fürsorglich auf den Rücken. »Nach Magdeburg«, wiederholt er. »Was ist denn daran so schlimm?« Das macht er wirklich toll, dieses Naiv-Spielen. Gleich fängt er sich eins auf die Fresse, vor allen Leuten.
    »Ich habe dir ausdrücklich gesagt, dass du nicht bei mir schlafen kannst«, erkläre ich leise und jedes Wort betonend. »Wenn das stimmt, was du sagst, fahre ich dich nachher ins Heim. Vielleicht ist dein Bett da ja noch frei.«
    Er nimmt mich nicht ernst, er nimmt mich einfach nicht ernst! Stattdessen lächelt er unwiderstehlich und widmet sich wieder hingebungsvoll seinem Hamburger Royal TS. Ich sehe ihm zu: Er braucht genau drei Bissen, um ihn zu verschlingen.
    »Außerdem ist es egal, ob meine Eltern da sind oder nicht. Du kannst auch allein zu Hause sein. Spätestens um acht Uhr setz ich dich in den Zug«, fahre ich fort. »Ich hab meinen Hausschlüssel nicht dabei«, erklärt Anoki mit gespieltem Bedauern. Ein paar Sekunden bin ich besiegt, dann sage ich: »Du kannst meinen haben!« Diesmal hab ich die Lacher auf meiner Seite. Anoki beißt ein bisschen zu heftig in seinen nächsten Royal TS, und ich lehne mich befriedigt zurück und verschränke die Arme vor der Brust. Aber dann hebt er auf einmal ruckartig den Kopf, sieht mir triumphierend in die Augen und holt zum finalen Todesstoß aus. »Glaubst du nicht, dass die die Alarmanlage eingeschaltet haben, wenn die das ganze Wochenende weg sind?«
    Wie verabredet klingelt ein paar Minuten später mein Handy, und meine Mutter erkundigt sich, ob Anoki gut angekommen sei. Es sei ja wirklich lieb von mir, dass ich ihn eingeladen hätte, bis Sonntagabend zu bleiben; er habe sich riesig darüber gefreut.
    »Schön, dass du dich so um ihn kümmerst«, sagt sie, »am Anfang hatte ich schon gedacht, ihr könnt nicht recht miteinander, aber jetzt seid ihr ja ein Herz und eine Seele.«
    Ich werfe Anoki einen eisigen Blick zu und heuchele: »Ja, wir verstehen uns prächtig.« Dann frage ich: »Stimmt es, dass ihr nach Magdeburg gefahren seid?« Tja, mich hat Anoki offenbar nicht belogen (jedenfalls nicht in diesem Punkt). Sie sind gleich nach Anokis Aufbruch losgefahren und werden erst Sonntagnachmittag wiederkommen. »Hoffentlich habt ihr die Alarmanlage eingeschaltet«, sage ich probehalber, und meine Mutter erwidert fröhlich: »Na klar. Du weißt doch: das würde Papa niemals vergessen, selbst wenn wir nur mal eben einkaufen fahren.« Ich starre Anoki wütend an, aber er tut so, als sei er völlig von seinem McRib in Anspruch genommen. Nur dieses feine kleine Lächeln verrät ihn.
    Ich öffne die Tür zu meiner Wohnung, und Anoki quetscht sich mit seinen Einkaufstaschen mühsam hindurch. Nachdem er alles angemessen bewundert und sich über die Fotogalerie scheckig gelacht hat, steht er plötzlich mit ernstem Gesicht vor mir und sagt leise: »Tut mir leid. Du bist echt sauer, was?«
    Ich zucke nur die Schultern, dann nicke ich.
    »Warum ist das denn so schlimm, wenn ich hier bei dir bleibe?«, fragt er. »Geh ich dir so doll auf die Nerven?«
    Ach, tu doch nicht so unschuldig! Ich bin sicher, er weiß ganz genau, warum ich das nicht will. Oder etwa nicht? Ich sehe ihn prüfend an, aber seine großen, naiven, fragenden Kinderaugen wirken ziemlich überzeugend. Außerdem haben sie auf mich noch eine unerwünschte Nebenwirkung, deshalb sehe ich schnell wieder weg. »Na ja, jetzt können wir es sowieso nicht mehr ändern«, sage ich, »aber am meisten ärgert mich, dass du einfach deinen Kopf durchgesetzt hast. Wenn ich nein sage, meine ich auch nein.«
    »Tut mir leid«, wiederholt Anoki. »Ich mach das nie mehr.« Er lächelt in der Gewissheit, dass er dieses Versprechen unter keinen Umständen halten wird.
    »Hast du ’ne Reisetasche oder so was? Wo ich meine neuen Sachen reintun kann?«, fragt er etwas später. Ich gebe ihm eine, und er fängt an, seine Tüten auszupacken und jedes einzelne Teil noch mal einer liebevollen Begutachtung zu unterziehen, ehe er es andächtig in die Reisetasche bettet. Ich schalte in der Zwischenzeit den Fernseher ein

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