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Herzbesetzer (German Edition)

Herzbesetzer (German Edition)

Titel: Herzbesetzer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.A. Wegberg
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spät noch anrufe! Aber ich weiß echt nicht, was ich sonst machen soll!« Er zieht geräuschvoll die Nase hoch.
    »Sag mir endlich, wo du bist! Ich hab mir vor Sorgen fast in die Hose gemacht!«, fahre ich ihn an. Erneut muss ich einen Augenblick der Stille aushalten.
    »Oberkrämer?«, sagt er dann. »Gibt es so was?«
    »Klar gibt es Oberkrämer, bist du da jetzt oder nicht?«

»Ähm, ich glaub schon«, haucht Anoki. Der macht mich noch wahnsinnig!
    »Bist du betrunken?«, fauche ich, und er protestiert schwach: »Nee, echt nicht! Juli, tut mir leid … Hab ich dich geweckt?«
    So kommen wir nicht weiter. Ich lasse den Motor wieder an und bin bereits auf dem Weg zur Autobahn.
    »Sag mir jetzt mal ganz genau, wo du bist«, fordere ich ihn mit künstlicher Ruhe auf, so wie man mit Psychopathen auf Hochhausdächern redet, »dann bin ich so schnell wie möglich bei dir.«
    Es braucht noch ein paar Kilometer, bis er in der Lage ist, mir seine Koordinaten durchzugeben. Ich rufe meinen Vater an und gebe einen Zwischenbericht, dann taucht auch schon die Abfahrt Oberkrämer vor mir auf, und ich rolle auf den Autohof zu. 

 
 
47
    Anoki hockt am Rande der menschenleeren Tankstelle neben seinem roten Rucksack und steht langsam auf, als er mein Auto sieht. Kaum ist der Wagen zum Stehen gekommen ist, springe ich auf ihn zu und drücke ihn so fest an mich, dass er garantiert irgendwelche Quetschungen zurückbehält. Seine eigene Umklammerung steht meiner in nichts nach. Jeder zufällige Beobachter würde das hier wohl für eine neue, extreme Wrestling-Variante halten.
    Etwa zehn Minuten später lasse ich von ihm ab und frage: »Was ist passiert?«
    Er will zunächst in die sichere Abgeschlossenheit meines Autos, ehe er zu reden beginnt. Auf dem Weg nach Neuruppin erfahre ich dann, was ich schon geahnt hatte: Er hat sich heimlich davongemacht, um zu mir zu fahren, weil er es nicht mehr aushalten konnte, dass ich so wütend auf ihn war. Vielleicht wollte er sich vor mir auf den Boden werfen und meine Füße küssen oder so was (ich darf nicht vergessen, ihn das nachholen zu lassen). Jedenfalls stellte er am Bahnhof fest, dass der letzte Zug nach Berlin bereits vor zehn Minuten abgedampft war.
    »Ist das normal?«, rebelliert er und vergisst vorübergehend seinen Kummer. »Um halb elf! Du kommst nach halb elf nicht mehr weg aus diesem Kaff! Sag mal, sind die total bescheuert oder was? Warum bauen die nicht gleich ’ne Mauer drumrum?«
    Ich muss ihn ein bisschen dämpfen und wieder zum Thema zurückbringen. »Da war so’n Typ, der hatte anscheinend auch den Zug verpasst«, fährt Anoki also fort. »Hat der jedenfalls gesagt. Und dass der sein Auto da auf’m Parkplatz stehen hat und dann eben mit’m Auto nach Berlin fahren muss. Und ob ich mitfahren will.«
    Ich kann es kaum glauben, aber Anoki ist tatsächlich zu diesem wildfremden Typen ins Auto gestiegen. Es wundert mich nicht zu hören, dass der Kerl Anoki bereits bei Fehrbellin wie selbstverständlich die Hand aufs Knie legte, und kurz hinter Kremmen hatte er dann die Hose auf und gab unmissverständlich zu erkennen, welche Beförderungsgebühr er von seinem hübschen kleinen Beifahrer erwartete. Zum Glück ist Anoki ebenso gerissen wie skrupellos. Er ist zum Schein auf das Geschäft eingegangen, hat aber klargestellt, dass er Blowjobs aus Gründen der Verkehrssicherheit ausschließlich in stehenden Fahrzeugen ausübt, und vorgeschlagen, die nächste Ausfahrt zu nehmen, wo sich sicher ein geeignetes Plätzchen finden werde. Das fand sich tatsächlich recht schnell auf einem stockdunklen Feldweg nahe der Autobahn. Anoki hat bis zur letzten Sekunde einvernehmliche Bereitwilligkeit simuliert dann ist er aus dem Wagen geflüchtet und war sogar geistesgegenwärtig und flink genug, seinen Rucksack mitzunehmen.
    »Der hat vielleicht gebrüllt!«, berichtet er stolz. »Und dann kam der mir hinterhergerannt. Aber der hatte keine Chance, kannst du dir ja vorstellen. Der musste ja auch erst mal seine Hose wieder zumachen.«
    Anoki kichert, und ich ziehe ihn zu mir rüber und drücke ihn kurz, bis er sagt: »Hey – nur im parkenden Auto! Nimm die nächste Ausfahrt!« und vor Lachen fast vom Sitz rutscht, während ich diesen Witz jetzt nicht so richtig komisch finde.
    Der Rest von Anokis Geschichte ist schnell erzählt: Er hat sich nach einem rund zehnminütigen Querfeldeinsprint hinter einem Gebüsch versteckt, bis er annehmen konnte, dass sein Verfolger aufgegeben hatte, und sich

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